„Wir schauen ein bisschen zu viel in die Vergangenheit“
Wirtschafts- und Finanzlandesrat Willibald Ehrenhöfer über Visionen und die Wirklichkeit, politische Fehlentscheidungen, den Mut zu größeren Effekten und was man sich von der Deregulierung erwarten darf.
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Sie sind vor rund fünf Monaten als Quereinsteiger aus der eher verhaltensunauffälligen Holzindustrie in die Politik – eine Freihandelszone für Konflikte aller Art – gewechselt. Was vermissen Sie aus Ihrem alten Job?
Ehrenhöfer: Die frische Luft geht mir ab. Generell gibt es wie in jedem Job Herausforderungen. Die scheue ich nicht, sondern nehme sie mit voller Ernsthaftigkeit und Einsatzbereitschaft an. Freilich gibt es Punkte, die man nicht von heute auf morgen lösen kann. Aber ich sehe das ganz entspannt.
Lässt der politische Alltag Zeit und Raum für diese Entspanntheit?
Ehrenhöfer: Wir müssen wissen, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Das ist ähnlich wie in einem Betrieb: Man muss Visionen skizzieren, muss Ziele haben und diese konsequent verfolgen und schauen, dass man die Meilensteine, die man auf diesem Weg braucht, in kleine Schritte – manchmal in Einzelschritte – zerlegt. Das kann auch heißen, dass man Zwischenschritte möglichst schnell tätigt, weil es unbedingt notwendig ist. Genauso lege ich das an und ich sehe bisher keinen wirklich gewichtigen Grund, zu sagen, es kann nicht gelingen.
Was braucht es dafür?
Ehrenhöfer: Es beginnt beim Mindset, um in der Gesellschaft ein Verständnis zu erzeugen. Wenn wir immer nur polarisieren, wird es schwierig, denn die Umfeldbedingungen sind dynamisch, es kann sich jederzeit etwas ändern. Wir schauen oft ein bisschen zu viel zurück in die Vergangenheit, wir analysieren immer wieder statistische Daten. Ja, Analyse ist wichtig, auch die Vergangenheit zu kennen ist wichtig, aber wir müssen gleichzeitig auch die Entwicklungen in der Zukunft im Blick haben.
Bleiben wir bei diesem Blick nach vorne: Wirtschaftsforscher und einschlägige Umfragen sehen eine leichte konjunkturelle Entspannung. Ist die Lage tatsächlich schon besser als die Stimmung – oder ist es genau umgekehrt?
Ehrenhöfer: Wir müssen differenzieren: Es gibt bestimmte Branchen, in denen die Lage in den letzten zwei Jahren schlechter dargestellt wurde, als es war, beziehungsweise in denen gar nicht wahrgenommen wurde, wie gut es eigentlich ist. Gleichzeitig gibt es Branchen, die extrem dynamische Umfeldbedingungen haben, wo man nach wie vor aufpassen muss.
Wovor?
Ehrenhöfer: Wir wissen nicht, was in den USA morgen passieren wird, jammern aber seit einem halben Jahr ohne klare Daten und Fakten, wie schlecht es mit den USA ist. Parallel hat es klarerweise einen Einfluss, wenn es zu einem Handelskonflikt zwischen den USA und China kommt und chinesische Produkte auf andere Märkte ausweichen und dort zur Konkurrenz werden. Dazu kommen offene Fragen rund um Mercosur, das deutsche Investitionsprogramm, das einen Effekt auf Österreich haben wird, und der Ukraine-Krieg. Wenn der morgen aus ist, haben wir einen riesigen Aufbaumarkt vor der Tür. Es gibt so viele unterschiedliche Zusammenhänge... Da braucht es ein positives Mindset, kein Krankjammern, sondern ein realistisches, optimistisches Hinschauen. Dann können wir in Sachen Konjunktur sagen: Ja, es ist ein Pflänzchen. Wir sollten es nicht überbewerten, aber auch nicht draufsteigen. Wir dürfen allerdings nicht gleichzeitig sagen: Wenn wir nächstes Jahr ein Wirtschaftswachstum haben, haben wir mehr Ertragsanteile, dann können wir das Geld wieder ausgeben. Wir müssen trotzdem ernst nehmen, dass wir uns sowohl in der Effektivität als auch in der Effizienz steigern.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat kürzlich gemeint, die Krise bei uns sei großteils hausgemacht und nicht nur importiert. Würden Sie das unterschreiben?
Ehrenhöfer: Es stimmen beide Faktoren. Es hat auch politische Fehlentscheidungen gegeben, die die Inflation angefeuert haben. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Hintennach ist es leicht, gescheit zu sein.
Parallel haben wir aber viele positive Faktoren – und die muss man immer wieder erwähnen: Wir haben nach wie vor eine hohe Produktivität. Wir haben nach wie vor eine relativ gute Leistungsbereitschaft der Personen. Wir haben nach wie vor ein hohes Wissen. Wir haben nach wie vor Betriebe, die am Weltmarkt reüssieren können. Natürlich haben wir mit den hohen Lohnneben- und damit Personalkosten sowie mit den Energiekosten Belastungsfaktoren.
Das Land ist Alleineigentümer der Energie Steiermark. Da hätte man einen Hebel in der Hand.
Ehrenhöfer: Energieinfrastruktur gehört zur Grundversorgung, für die die Politik eine Verantwortung hat. Gleichzeitig gibt es aber eine Marktwirtschaft, in der diese Energieversorger reüssieren müssen, wo sie also möglichst gute – ich würde sagen nicht gewinnmaximierte, aber -optimierte – Zahlen schreiben müssen.
Sie sind auch Finanzlandesrat. Fühlen Sie sich in dieser Funktion eigentlich mehr als Masseverwalter oder als Zukunftsgestalter?
Ehrenhöfer: Die Frage ist nicht fair. Es ist eine Monster-Aufgabe. Ich bin der Meinung, wir sollten mutig sein und wirklich einmalig Maßnahmen setzen, um einen größeren Effekt zu erreichen. Wir werden sehen, was wir schaffen. Klar ist: Wenn ich 314 Millionen Euro minus in der operativen Gebarung habe, wenn ich also meinen Verwaltungsapparat schon über Kredite finanzieren muss, dann habe ich ein Problem. Parallel wird man die investive Seite weiterhin mit Gewichtung abschätzen müssen. Wir können unser Land ja nicht mittelfristig ohne Investitionen führen. Wir werden die Infrastruktur, die wir brauchen, zur Verfügung stellen müssen. Das ist für den Wirtschaftsstandort wichtig.
Aber man kann den Standort nicht schönfördern, haben Sie einmal gesagt.
Ehrenhöfer: Ja. Grundsätzlich wird uns jeder Euro, den wir dort wegzwicken, wo er keine Wirkung hat, helfen. Gleichzeitig müssen wir dort, wo wir einen Euro haben, darauf achten, mit welcher Wirkung wir ihn ausgeben. Da werden wir für zumindest zwei, drei Jahre Schwerpunkte setzen müssen. Wir müssen uns ein „Spielkapital“ erwirtschaften, damit ich wieder bestimmte, gezielte Themen mittelfristig anschieben kann.
Zuletzt wurde von Ihnen ein Deregulierungsgesetz auf den Weg gebracht, mit dem man den von der Wirtschaft beklagten Bürokratiewildwuchs in den Griff bekommen möchte. Was darf man sich davon erwarten?
Ehrenhöfer: Bitte nichts. Ich kann nicht alles schnell lösen, es gibt auch hier Mehrjahresperioden. Deregulierung hat ja mehrere Ebenen. Ich kann jetzt einmal Gesetze, die eh kein Mensch mehr braucht, wegstreichen. Das ist jetzt passiert. Es gibt aber auch Gesetze, die nicht so einfach wegzuschneiden sind. Dann kann man bestimmte Sachen statt bewilligungspflichtig nur mehr anmeldepflichtig machen. Ich kann bestimmte Parameter reduzieren und dann Verfahren klar definieren, beispielsweise eine Maximaldauer einführen. Wenn ein Unternehmer weiß, dass er in einem Jahr seinen Standort eröffnen kann oder in drei Jahren eine erneuerbare Energieproduktionsanlage genehmigt bekommt – und sollte es in die nächste Instanz gehen, es maximal zwei Jahre länger dauert –, dann schafft das Sicherheit. Das müssen wir schaffen. Wir sind da auf einem guten Weg.