
Teil 12/2. Die touristische Erschließung der Steiermark: Sport als Turbo für regionale Entwicklung
Sportveranstaltungen sorgen für Schubkraft im Tourismus, der von der elitären Sommerfrische zum millionenschweren Wirtschaftsfaktor wurde.
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Um die Wende zum 20. Jahrhundert führt der von der Industrialisierung getragene Strukturwandel auch zum Entstehen eines neuen Wirtschaftszweiges, den man früher nur von Pilger- und Wallfahrtsbewegungen her kannte: dem Fremdenverkehr, also dem temporären Ortswechsel ohne einen Zusammenhang mit dem Beruf. Zunächst begegnete man diesem Phänomen in Form der Sommerfrische – ein Vergnügen, das dank wachsendem Wohlstand in der bürgerlichen Oberschicht zunehmend nicht nur dem Adel vorbehalten blieb und eine spezifische Kultur hervorbrachte: jene der (teils mondänen) Bad- und Kurorte.
Aber auch dem Winter wurde zunehmend Spaß und Freude abgerungen: Zusammen mit dem Grazer Sektfabrikanten Max Kleinoscheg gilt der Mürzzuschlager Gastronom Toni Schruf (Gasthof Post) diesbezüglich als einer der Pioniere und „Väter“ des modernen Skifahrens im Alpenraum. Für ihre ersten Skifahrversuche im Jahr 1890 ließen sich die beiden extra Ski aus Norwegen liefern. 1893 veranstaltete Schruf schließlich am Stuhleck das erste Skirennen Mitteleuropas, 1904 die ersten „Nordischen Spiele“ in Mürzzuschlag, die in der Sportgeschichte als ein Vorläufer der Olympischen Winterspiele gelten.

Erste Liftanlagen
Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg – und damit deutlich später als im Westen Österreichs – sorgt der Tourismus als wachsender Wirtschaftszweig auch in Sachen Infrastruktur für Impulse. In den alpinen Regionen der Obersteiermark, die davor von Landwirtschaft oder Bergbau geprägt waren, kommt es zu Investitionen in Straßen, Beherbergungsbetriebe, die Gastronomie und in Liftanlagen.
Davor karrte man die Besucher noch über kurvige Mautstraßen mit Bussen bergwärts – so auf der Hochwurzen (ab 1960), auf der Planai (ab 1966) oder in Hohentauern, wo die Gäste, die aus Wien oder Graz mit dem Zug ankamen, zunächst zu Fuß hinauf ins Bergdorf marschierten, ehe die lokale Liftbetreiber- und Gastwirtfamilie Moscher einen Bustransport anbot. Bereits 1949 hatten sie am Hochplateau einen Schlepplift in Betrieb genommen. Auch später blieb man der Pionier-Rolle treu und eröffnete das „Erste Almdorf Europas“ – ein Übernachtungsangebot mit einzelnen Chalets statt Hotelzimmern, das sich aktuell in fast allen Skigebieten etabliert hat.
Am Präbichl und auf der Tauplitz wurden zu Beginn der 1950er-Jahre Sessellifte installiert, 1959 auch weiter im Osten, auf der Brunnalm bei Veitsch im Mürztal, der erste Lift errichtet und im Sommer 1969 nach dreijähriger Bauzeit die Dachstein-Seilbahn in Betrieb genommen. In weiterer Folge kam es in den 1970er-Jahren auch auf den Skibergen im Ennstal zu einer Investitionsoffensive. Unter anderem wurde der Hauser Kaibling mit einer Gondelbahn erschlossen, in Donnersbachwald/Riesneralm und im Raum Schladming der Keim für die bis heute blühende Tourismuswirtschaft gesät. Allein in Schladming gab es in der vergangenen Wintersaison über eine Million Nächtigungen. Als wesentlicher Treiber von Investitionen gelten dort – wie auch am Kreischberg im Murtal – die mehrfach ausgetragenen Weltmeisterschaften.
Eine Sport-Großveranstaltung anderer Art hat die Geschichte des Aichfelds bei Zeltweg in den vergangenen sechs Jahrzehnten zunehmend geprägt: die Formel 1.

Autorennen als Motor
Nachdem Autorennen zunächst am Flugplatz in Zeltweg abgehalten wurden, wurde 1969 der Österreichring bei Spielberg in Betrieb genommen. Ein Jahr später gastiert die Formel 1 das erste Mal. Später wird die Rennstrecke mehrmals umgebaut und umbenannt und gehört – nach zunächst holprigem Projektverlauf – seit der Übernahme durch Red Bull und dem Formel 1-Comeback 2014 zu den Fixterminen im Rennkalender – und zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor in der Region.
Das in Skandinavien bereits verbreitete Skifahren schwappt als Freizeitsport auf Europa und Nordamerika über.
Der „Verein steirischer Skifahrer“ wird gegründet. Ein Jahr später findet am Stuhleck das erste Skirennen Mitteleuropas statt – organisiert von Toni Schruf (rechts).
In München wird der Österreichische Skiverband aus der Taufe gehoben. Ein Jahr davor gingen in Mürzzuschlag die Nordischen Spiele über die Bühne.
Auf der Tauplitzalm wird der erste Skilift der Ostalpen eröffnet. 1953 schafft man mit dem längsten Sessellift der Welt (4 km) einen weiteren Meilenstein.
Der Kunstlehrer Helmut Gross kreiert ein grünes Herz als Logo für die Steiermark. Es wird zum marketingtechnischen Evergreen. Bis heute verwendet es die mittlerweile um den Bereich Standortmarketing angereicherte Tourismusgesellschaft des Landes als Markenbotschafter der Steiermark.
Schladming veranstaltet erstmals die alpine Ski-Weltmeisterschaft. 2013 ist man erneut Austragungsort. Das Event sorgt für einen umfangreichen Investitionsschub (Hotels, Congresszentrum) und sorgt zusammen mit dem Nightrace für internationale Bekanntheit.
Red Bull übernimmt die Autorennstrecke und will sie zu einem Motorsportzentrum ausbauen. Bürgerproteste sorgen für einen Baustopp und eine mehrjährige Verzögerung. Erst 2011 beginnt die Runderneuerung, 2014 kehrt die Formel 1 zurück, zwei Jahre später die MotoGP.