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Stapel von Dokumenten auf dem Bürotisch
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Anleitung für beschleunigte Verfahren

„Für eine Konjunkturbelebung brauchen wir schnellere Behördenverfahren“, fordern Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Jetzt legt man umsetzungsfertige Lösungsvorschläge vor. Ein Lackmustest für die Politik in Sachen Bürokratieabbau.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 18.06.2025

Bevor sich am kommenden Mittwoch Landespolitik, Sozialpartner, Städte- und Gemeindebund sowie die Hochschulkonferenz zu einem ersten Standortpartnerschaftsgipfel treffen, legen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung eine umfassende Handlungsanleitung für eines der dringlichsten Problemfelder vor. „Mit diesen 20 Lösungsvorschlägen für Verfahrensbeschleunigungen reichen wir der Politik die Hand“, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk: „Jetzt kann sie zeigen, wie ernst es ihr in Sachen Bürokratieabbau ist.“ Denn um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und die Innovationskraft im Land zu fördern, sei eine Entlastung der Wirtschaft und Verwaltung durch einen Rückbau von Regulierungen dringend erforderlich, unterstreicht Kurt Maier, Präsident der Industriellenvereinigung (IV).

Kurt Maier (IV), Stefan Storr (Universität Graz), Josef Herk (WKO, v.l.) mit Vorschlägen für schnellere Verfahren.
© Foto Fischer Kurt Maier (IV), Stefan Storr (Universität Graz), Josef Herk (WKO, v.l.) mit Vorschlägen für schnellere Verfahren.

Die entsprechende Expertise hat man sich dabei von der Universität Graz geholt: Stefan Storr, Professor am Institut für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, hat in penibler, viermonatiger Arbeit die komplexe Gesetzesmaterie mit ihren vielen ineinanderwirkenden Spezialbereichen analysiert und ein 112-seitiges Gutachten erstellt. Auf Basis mehrerer Gesetze leitet er einen Rechtsanspruch eines Genehmigungswerbers ab, „dass Genehmigungsverfahren in angemessener Zeit und zügig geführt und abgeschlossen sind“.

Die Realität sieht aber anders aus: „Die durchschnittliche Verfahrensdauer in der Steiermark beträgt ein Jahr“, rechnet Herk vor und verweist gleichzeitig auf teils jahrelange Verzögerungen, beispielsweise im Abfallwirtschaftsbereich (siehe Grafik oben), im Bauwesen, in Fällen, wo das Wasserrecht zur Anwendung kommt, beziehungsweise wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht. „Da gelten zum Zeitpunkt der Bewilligung dann teilweise schon andere Vorschriften als bei der Einreichung“, verweist Herk auf gewachsene systemische Missstände.


Planungssicherheit

„Gerade die energieintensive Industrie, in der 30 Prozent unserer Beschäftigten tätig sind, braucht Rechts- und Planungssicherheit und keine unnötigen bürokratischen Hürden“, betont Maier mit Verweis auf die wertschöpfungsbringende Bedeutung dieses Wirtschaftssektors für den Standort.  Der IV-Chef kann in diesem Zusammenhang den von Verwaltungsrechtsexperten Stefan Storr unter anderem vorgeschlagenen „Beschleunigungsgebieten“ für schnellere, verkürzte Verfahren einiges abgewinnen. Auch befristete Gültigkeiten von Gesetzen und ein Entrümpeln des Paragrafenbestands stehen am Wunschzettel. „Es gibt nicht die eine Maßnahme, es ist die Summe von vielen kleinen Schritten“, verweist Herk auf die Vielzahl von möglichen und notwendigen „Konjunkturbelebern“.

Storr sieht die Zieladresse für Reformen nicht nur bei der Landespolitik. Ein Drittel der Vorschriften käme aus Brüssel, gut die Hälfte vom Bund und der Rest liege beim Land, liefert er ein differenziertes „Täterprofil“ für einen mittlerweile dicht zugewucherten Dschungel an Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften, Richtlinien und Normen.

Immer stehe dabei ein Interessensausgleich zwischen Antragssteller, anderen Parteien und der öffentlichen Hand im Vordergrund. Im Vergleich zu Deutschland ortet der Jurist aber in Österreich eine deutlich umfassendere Beteiligung vieler verschiedener Parteien, zudem sei die Rolle der mündlichen Verhandlung hierzulande höher anzusetzen als beim Nachbarn. Generell ortet Storr daher die Notwendigkeit für eine Beratungsstelle für Projektwerber, schlägt für manche Bereiche eine Verfahrenskonzentration sowie eine Verkürzung von Verfahrensfristen vor.



100-Jahr-Jubiläum

Neu ist weder die mittlerweile überfrachtete gesetzliche Grundlage noch das Ansinnen nach Entlastung: So stammt das österreichische Verwaltungsverfahrensgesetz aus dem Jahr 1925 und war das erste seiner Art weltweit. Es galt lange als Benchmark für andere Staaten. „Schon damals stand die Beschleunigung von Verfahren im Fokus“, weiß Jurist Storr. Hundert Jahre später soll mit einem Deregulierungsgesetz der erste Schritt Richtung weniger Belastung und mehr Tempo gelingen. Ein entsprechender Entwurf soll noch vor dem Sommer vorliegen, das Gesetz im Herbst in Kraft treten.



Ausgewählte Schwerpunkte im Überblick 

  • Verpflichtende Fristen für Behörden: Werden Verfahren nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen abgeschlossen, sollen diese als genehmigt gelten. Gerade im Baubereich – und hier vor allem in Graz – kommt es nämlich regelmäßig zu massiven zeitlichen Überziehungen bei Genehmigungsverfahren, die für die gesamte Bauwirtschaft ein massives Problem darstellen. Gefordert wird darum ein Automatismus, der bei Verstreichen der gesetzlichen Frist das Projekt genehmigt.

  • Mehr Tempo bei der Heizungsumstellung: Wer eine Öl- oder Gasheizung durch eine umweltfreundliche, moderne Wärmepumpe ersetzen will, muss derzeit langwierige Bewilligungsverfahren auf sich nehmen. Ein Bürokratieaufwand für den Bauwerber und die Behörde, der sich zum Teil bis zu einem Jahr ziehen kann. Gefordert wird daher eine Vereinfachung des Verfahrens in Form einer Anzeigepflicht. Gibt es keinen Einspruch der Behörde, gilt die Wärmepumpe als genehmigt – bei PV-Anlagen ist das bereits geltendes Recht.

  • Kürzere Entscheidungsdauer bei Auskunfts- und Beratungspflichten: Ein generelles Problem bei Genehmigungsverfahren aller Art sind oft unvollständige Einreichunterlagen. Würde hier im Vorfeld eine bessere Beratung seitens der Behörde angeboten, ließe sich im Nachhinein viel Aufwand verhindern. Aus diesem Grund hat die Wirtschaftskammer ein Betriebsanlagenservice mit externen Coaches ins Leben gerufen. Selbiges wird flächendeckend auch für alle anderen Verfahrensarten auf Landesebene eingefordert.

  • Genehmigungsfiktion: Genehmigungsfiktionen können – insbesondere im Zusammenwirken mit Entscheidungsfristen - als ein wirksames Instrument zur Verfahrensbeschleunigung dienen: Bleibt die Behörde innerhalb der Frist untätig, gilt die Genehmigung kraft Gesetzes als erteilt. Der Antragsteller kann ohne Säumnisbeschwerde mit dem Vorhaben beginnen. Bestehend bleibende Unsicherheiten – etwa durch mögliche Beschwerden Dritter in Mehrparteienverfahren und fehlende behördliche Prüfung – müssen jedoch klar geregelt sein.

  • Privatisierung: Wenn Personalknappheit oder andere Kapazitätsengpässe in der Verwaltung bestehen, können mit einer Aufgaben- und Verfahrensprivatisierung Beschleunigungseffekte erzielt werden. Projektbüros (z. B. Architekten, Ziviltechniker, Rechtsanwälte) können vorbereitende oder verfahrensleitende Tätigkeiten übernehmen. Je nach Aufgabe und Tätigkeit muss sichergestellt werden, dass die verfahrensgesetzlichen Anforderungen erfüllt sind, aber für Privatisierungen gibt es ein erhebliches Potenzial.

  • Digitalisierung: Die Möglichkeiten der Digitalisierung bieten großes Potenzial für effiziente und transparente Verfahren. Eine digitale Plattform kann eine vollständig digitale Verfahrensabwicklung bis hin zu automatisierten Bescheiden ermöglichen, digitale Anhörungen und die Wiederverwendung vorliegender Gutachten können die Verfahren beschleunigen und Ressourcen schonen. Zudem kann die Automatisierung der Verfahren wesentliche Beiträge im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung in der Verwaltung und den Betrieben leisten.