Bauer und Herk, dahinter großes gelbes Plakat
© Foto Fischer

Grazer Unternehmen setzen unübersehbares Zeichen

Mit einer Protestaktion am Grazer Hauptplatz mahnen Unternehmerinnen und Unternehmer heute wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen in der Landeshauptstadt ein. Ein Weckruf, der laut WKO Steiermark Präsident Josef Herk und dem Obmann der Regionalstelle Graz, Bernhard Bauer, dringend notwendig sei.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 28.01.2025

„Erst wenn der letzte Händler zugesperrt hat, die Industrien stillstehen und niemand mehr Unternehmer:in sein will, werdet ihr erkennen, dass die Stadt von Verkehrsberuhigung und Sozialpolitik allein nicht leben kann“ – ein Faktum, dass die Wirtschaftskammer im Namen der Grazer Unternehmerinnen und Unternehmer nun zum Kernsatz einer neuen Kampagne gemacht hat, die heute zum Start auch auf einem neun mal neun Meter großen Transparent am Hauptplatz zu sehen war. „Man darf im Rathaus nicht länger an den Problemen vorbeischauen, diese haben Auswirkungen auf den gesamten Standort“, mahnen WKO Steiermark Präsident Josef Herk und Bernhard Bauer, Obmann der Regionalstelle Graz. Wirtschaftliche Interessen seien in den letzten Jahren vernachlässigt oder gar behindert worden. Und das hat Folgen, wie das Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) in einer neuen Untersuchung nun aufzeigt: „Graz weist in vielerlei Hinsicht eine unterdurchschnittliche Entwicklung auf“, so IWS-Leiter Ewald Verhounig. Im Detail:

 

  • Minus bei Arbeitgeberbetrieben: In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der Arbeitgeberbetriebe in Graz in für urbane Zentren besonders wichtigen Branchen zum Teil massiv eingebrochen. So zum Beispiel in der Wirtschaftsklasse Handel von 1977 im Jahr 2008 auf zuletzt 1.616 – das entspricht einem Minus von 18,3 Prozent. Ähnliches gilt für die Industrie, wo der Rückgang im selben Zeitraum 17,7 Prozent beträgt: Zählte Graz 2008 noch 581 Industriebetriebe, so sind es heute 478.
  • Minus bei Steuervergleich: Durch den Rückgang von Arbeitgeberbetrieben in wichtigen Branchen fällt auch die Kommunalsteuerentwicklung unterdurchschnittlich aus. Diese ist in den letzten 20 Jahren in Graz real gerade einmal um magere vier Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In Graz-Umgebung hat die Kommunalsteuer im selben Zeitraum um 81 Prozent zugenommen.
  • Minus bei Erreichbarkeit: Nicht nur die vielen großen Baustellen haben speziell die Innenstadtunternehmen unter Druck gebracht, sondern der generelle Rückbau von Parkplätzen insgesamt. Obwohl die Bevölkerung seit 2015 in Graz von 274.000 auf über 298.000 gestiegen ist, ist die Zahl der bewirtschafteten Parkplätze (blaue und grüne Zone) im selbigen Zeitraum von 26.211 auf 24.733 gesunken. Daraus resultiert eine mangelnde Erreichbarkeit vieler Betriebe, die durch den öffentlichen Verkehr und den Ausbau der Rad- und Fußwege nur teilweise ausgeglichen werden kann. Ein wesentlicher Grund dafür, warum die Gesamtzahl der Handelsbetriebe im Bezirk Innere Stadt seit 2015 von 525 auf nunmehr 472 gesunken ist (-10,1 Prozent).

Bauer und Herk, dahinter Unternehmer der Stadt Graz mit Manifesten in der Hand
© Foto Fischer

Bauer mahnt darum einen politischen Kulturwandel ein: „Wir brauchen eine Politik, die erkennt, dass eine Stadt nicht nur von sozialpolitischen Projekten und Verkehrsberuhigung lebt. Graz muss verstehen, welchen Beitrag Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten.“ Ein Befund, den auch der Wirtschaftskammerpräsident teilt – und mit deutlichen Worten nachschärft: „Wer sich mit Nachhaltigkeit ernsthaft auseinandersetzt, weiß, dass nur ein kluges Verhältnis von Ökologie, Ökonomie und sozialen Anliegen eine nachhaltige Entwicklung möglich macht“, betont Herk. In Graz, dem wichtigsten Wirtschaftsmotor für die gesamte Steiermark, sei das aus der Balance geraten.  

Manifest der Wirtschaft und Mediationsstelle gegen Bürokratiewucher

Aus diesem Grund haben sich heute zahlreiche Grazer Unternehmerinnen und Unternehmer zu einer Protestaktion am Hauptplatz versammelt. Dabei wurden auch das neue Manifest „Stadt oder Stillstand?“ mit konkreten Lösungsvorschlägen präsentiert. Diese reichen von einem dynamischen Parkleitsystem bis hin zu flexibleren Öffnungszeiten und Lärmschutzregeln, die sich an internationalen Best-Practice-Beispielen orientieren sollten, sowie der Einführung eines aktiven Gewerbeflächenmanagements und einer Mediationsstelle zur Beseitigung von bürokratischen Hürden. Etwa bei Bauverfahren, wo Graz aufgrund überlanger Verfahren jenseits aller zeitlichen Vorgaben Millionenklagen drohen. „Wir werden von unseren Mitgliedern aber nicht nur im Baubereich, sondern quer durch alle Branchen mit zum Teil skurrilen Verfahrensproblemen und Behördenvorgängen konfrontiert“, berichtet Bauer. Hier brauche es einen Haltungs- und Kulturwandel innerhalb der Behörden.

Aktion der WKO im Jänner am Grazer Hauptplatz
© Foto Fischer

Dazu Herk und Bauer: „Mit dem Diskutieren von ideologischen Glaubenssätzen gewinnen wir nichts. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Und was noch wichtiger ist: Es braucht ein besseres Verständnis dafür, dass Wirtschaft uns alle betrifft. Jeder Einkauf, jede unternehmerische Entscheidung ist Wirtschaft – und trägt zum Wohlstand und zur Lebensqualität bei. Wirtschaft ist nicht der Gegenspieler von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit, sie ist vielmehr die Basis, um beides zu ermöglichen.“

Zu den Lösungsansätzen