Herk zu steirischer Schuldenmisere: „Die Wahrheit ist zumutbar“
4.520 Euro an Finanzschulden haben die Steirer mittlerweile pro Kopf – wohlgemerkt allein aus dem Bereich der Landesfinanzen. Damit haben sich die Schulden hier innerhalb von zehn Jahren verdreifacht. Warum und wieso die Kostendynamik außer Rand und Band geraten ist, damit setzt sich eine neue Studie des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung der WKO Steiermark auseinander.
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In den letzten 25 Jahren sind die Sozialausgaben des Landes um 385 Prozent gestiegen, jene für Gesundheit um 351 Prozent. Damit stellen sie innerhalb des Landesbudgets die massivsten Kostentreiber da, schließlich hat sich der Verbraucherpreisindex im selben Zeitraum nur um 40 Prozent erhöht. „Würde ein Unternehmen mit solchen Zahlen agieren, hätte es ein massives Problem“, betont WKO Steiermark Präsident Josef Herk: „Es ist gut, dass Landesrat Ehrenhöfer die Problemlage offen angesprochen hat. Dass er sich getraut hat, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Seine Kritiker haben das eine Respektlosigkeit genannt. Ganz ehrlich: Respekt haben jene verdient, die mit ihrer Arbeit und mit ihren Steuern dieses System tragen. Das sind Unternehmerinnen und Unternehmer ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer sich da rausreden will, begeht selbst eine Respektlosigkeit“, so der WKO-Präsident.
Herk zu Folge wäre es aber auch zu einfach, die Verantwortung allein einer früheren Landesregierung zuzuschieben. Die Schockwellen der letzten Jahre — Pandemie, Rezession, Kriegsfolgen — sitzen schließlich tief. „Es ist menschlich verständlich, dass in solchen Zeiten der Geldhahn weit geöffnet wurde. Wenn es brennt, löscht man. Aber jeder Feuerwehrmann weiß: Wer dabei nicht mit Maß und Ziel vorgeht, kann am Ende mit Löschen mehr Schaden anrichten als das Feuer selbst“, erklärt Herk. Will heißen: Irgendwann nach dem ersten Schock muss wieder die Vernunft die Oberhand gewinnen. „Was wir erlebt haben, war eine systematische Entkopplung politischer Entscheidungen von finanzpolitischer Realität. Über alle Parteigrenzen hinweg. Denn auch die Opposition war nie zurückhaltend, wenn es um budgetbelastende Forderungen ging. Verantwortung ist nicht delegierbar – sie betrifft alle. Ich kann nur in aller Deutlichkeit sagen: Die Wahrheit ist zumutbar, vor allem der Politik“, betont Herk.
Was es jetzt brauche, sei ein klarer unternehmerischer Blick auf die Situation. Ohne Parteibrille und ohne Schuldzuweisungen, mit dem Ziel, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Herk: „Als Wirtschaftskammer reichen wir der Politik im Rahmen einer neuen Standortpartnerschaft auf Augenhöhe gerne die Hand. Wir sind bereit hier strukturelle Neuausrichtungen mitzutragen.“ Drei Bereiche, die für die Kostenentwicklung des Landes mitentscheidend sind:
ARBEITSMARKT
Wir brauchen keine weiteren Programme auf dem Reißbrett, die den zweiten und dritten Arbeitsmarkt bedienen. Der Fokus muss auf dem liegen, was auf dem ersten Arbeitsmarkt funktioniert. So zum Beispiel auf arbeitsplatznahen Qualifizierungen wie dem Modell AQUA. Betriebe definieren dabei, wen sie brauchen. Menschen werden genau dafür qualifiziert. Mit einem klaren Ziel: Eine direkte Übernahme in einen Job. Das ist wirksam, wirtschaftlich und respektvoll gegenüber den Menschen.
„Was wir nicht mehr brauchen, sind teure Parallelstrukturen, die junge Menschen jahrelang in Warteschleifen halten – Stichwort ÜBA (überbetriebliche Lehrausbildung). Das kostet ein Vermögen – und bringt niemandem etwas“, kritisiert Herk. Der arbeitsmarktpolitische Schwerpunkt des Landes lag bisher überwiegend auf sozial benachteiligten, beeinträchtigten Personen und Langzeitarbeitslosen im Bereich des zweiten und dritten Arbeitsmarkts. Das hätte aus Sicht der Wirtschaft eigentlich ins Sozialressort gehört. „Was dagegen fast vollkommen gefehlt hat, sind gezielte Förderungen für den ersten Arbeitsmarkt – also für jene Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchen. Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels ist das eine schwer nachvollziehbare Schieflage, die dem Budget sehr teuer kommt“, so Herk.
FÖRDERWESEN
Niemand hat den Überblick, wie viele Förderungen es tatsächlich gibt. Oder wie oft ein Projekt doppelt oder dreifach finanziert wird. Aus Landesmitteln, Bundesmitteln, EU-Töpfen. Herk: „Das ist weder effizient noch verantwortungsvoll. Wir brauchen dringend eine zentrale digitale Förderdatenbank vor. Öffentlich einsehbar. Einfach steuerbar. Denn jeder Euro, der ineffizient vergeben wird, fehlt dort, wo er wirklich gebraucht wird – in der unternehmerischen Realität.“
GESUNDHEITSWESEN
Unser Gesundheitssystem zählt zu den teuersten Europas – und bringt gleichzeitig weniger gesunde Arbeitsjahre als im EU-Durchschnitt. Das müsse ein Alarmsignal sein, betont Herk: „Die Antwort kann nicht sein: noch mehr Geld. Sondern: mehr Steuerung, mehr Transparenz, mehr Ergebnisorientierung. Wir brauchen auch hier eine objektive Aufgabenanalyse, die sichtbar macht, wo Doppelgleisigkeiten, Versäumnisse und Fehlanreize liegen.“
In diesem Zusammenhang müsse man vor allem auch auf den Bereich der Pflege zu sprechen kommen. Denn mit Blick auf die demographische Entwicklung ist hier ein weiterer massiver Anstieg der Kostendynamik absehbar. Herk: „Hier braucht es substanzielle Reformen, wie zum Beispiel eine solidarisch finanzierte Pflegeversicherung. Denn wir stehen in diesem Bereich vor einer enormen gesellschaftlichen Herausforderung, die wir nur als Gesellschaft gemeinsam bewältigen und auf breiten Schultern finanzieren können.“