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Geldschein, der sich aufzulösen scheint
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Rückkehr zur Vernunft nach Schuldenmisere

Die Ausgaben für Gesundheit und Soziales haben sich in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdreifacht.  Die Wirtschaftskammer fordert daher „Mut zur Wahrheit“. 

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 22.05.2025

Die jüngsten Nachrichten sind ernüchternd: Laut aktuellen Prognosen wird Österreich als einziger Volkswirtschaft innerhalb der EU für das heurige Jahr eine Rezession vorausgesagt. Laut EU-Kommission wird das BIP demnach um 0,3 Prozent schrumpfen.  Es wäre bereits das dritte Jahr in Folge mit einem negativen Wirtschaftswachstum. „Die Lage ist ernst“, attestiert Ewald Verhounig, Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS). Parallel liegt auch die Inflation mit 3,1 Prozent deutlich über dem Durchschnitt des Euroraums. Und auch wenn Ökonomen dafür den Kalendereffekt ins Treffen führen – die späten Ostern ließen die gestiegenen Urlaubsausgaben statistisch vom März in den April rutschen –, ist man vom  angepeilten Zwei-Prozent-Ziel doch weit entfernt.

Zusammen mit Deutschland hinke Österreich dem europäischen Durchschnitt hinterher, verweist Verhounig vor allem auf die fehlende Investitionsdynamik. Diesbezüglich liege man sieben Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau. „Nur 14 Prozent der Unternehmen planen tatsächliche Neuinvestitionen, der Rest fließt in Bestandserhalt“, warnt Verhounig: „Der Standort ist in Gefahr.“


Die Aussichten bleiben damit anhaltend trübe, eine Entspannung ist nicht in Sicht. Dafür sorgt nicht zuletzt der lange Schatten eines enormen Schuldenbergs. Allein aus dem Bereich der Landesfinanzen beläuft sich die Pro-Kopf-Verschuldung der Steirerinnen und Steirer auf 4.520 Euro. Damit  haben sich diese Schulden innerhalb von zehn Jahren verdreifacht, verweist Verhounig auf eine aktuelle IWS-Studie. Bei der Suche nach Gründen für diese Kostenexplosion sind die Studienautoren vor allem auf zwei Ausgaben-Treiber gestoßen: Die Sozialausgaben des Landes sind in den letzten 25 Jahren um 385 Prozent gestiegen, jene für Gesundheit um 351 Prozent (siehe Grafik unten).  „Würde ein Unternehmen mit solchen Zahlen agieren, hätte es ein massives Problem“, betont der steirische Wirtschaftskammerpräsident Jo­sef Herk. 


Mehr Transparenz

Den Verweis auf einschneidende Krisen, wie zuletzt die Pandemie oder die Kriegsfolgen, lässt Herk nur bedingt gelten: „Es ist menschlich verständlich, dass in solchen Zeiten der Geldhahn weit geöffnet wurde – aber nach dem ersten Schock muss die Vernunft wieder Oberhand gewinnen.“ Verantwortung sei nicht delegierbar: „Die Wahrheit ist zumutbar, vor allem der Politik“, unterstreicht Herk. Was es brauche, sei ein unternehmerischer Blick auf die Situation. Im Rahmen einer Standortpartnerschaft reiche man als Wirtschaftskammer der Landespolitik daher die Hand, um eine strukturelle Neuausrichtung mitzutragen.

Der neue Wirtschafts- und Finanzlandesrat Willibald Ehrenhöfer begrüßt diese Initiative und kündigt im Bereich der Entbürokratisierung erste konkrete Vorhaben an: In zwei Jahren soll es einen digitalen, transparenten Verfahrensakt geben, in den der Antragsteller und jede betroffene Behörde Einsicht haben. Auch eine Minimal- und Maximalbearbeitungszeit mit klaren Regeln für Sachverständige soll demnach festgelegt werden und „mehr Drive in die Beamtenschaft bringen“ (Ehrenhöfer). Die Folgen von zu wenig Planungssicherheit? „In manchen Ländern sieht man Österreich bereits als unsichereren Investitionsstandort als Ungarn“, berichtet Ehrenhöfer aus Gesprächen mit internationalen Kontakten: „Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir ins Hintertreffen geraten.“

Hinweis
5,7 Milliarden Euro Finanzschulden hat das Land – plus 256% seit 2010.

-1,2 Prozent beim BIP: Damit war Österreich 2024 EU-Schlusslicht.


Weniger Warteschleifen

Mehr Transparenz wünscht man sich seitens der Unternehmervertretung auch beim Förderwesen. „Wir brauchen dringend eine zentrale digitale und öffentlich einsehbare  Förderdatenbank“, fordert WKO-Präsident Herk. Derzeit fehle der Überblick, wie viele Förderungen es tatsächlich gibt beziehungsweise ob ein Projekt gleichzeitig aus Landes-, Bundes- und EU-Töpfen finanziert werde. „Das ist weder effizient noch verantwortungsvoll.“

Dringenden Reformbedarf vor der sich verdüsternden Konjunkturlage sieht er auch für den Arbeitsmarkt. Man brauche keine weiteren Programme auf dem Reißbrett, die den zweiten und dritten Arbeitsmarkt bedienen. „Der Fokus muss auf dem liegen, was auf dem ersten Arbeitsmarkt funktioniert“, nennt Herk als Beispiel arbeitsplatznahe Qualifizierungen, bei denen Betriebe definieren, wen sie brauchen, und Menschen genau dafür qualifiziert werden, um eine direkte Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zu erleichtern. Nicht mehr leistbar und sinnvoll seien dagegen teure Parallelstrukturen, die junge Menschen jahrelang in der Warteschleife halten, verweist Herk auf die überbetriebliche Lehrausbildung.

Wir haben eine Entkoppelung politischer Entscheidungen von finanzpolitischer Realität erlebt. 

 

Mit Blick auf das Gesundheitssystem drängt Herk auch dort auf substanzielle Reformen und schlägt angesichts der demografischen Entwicklung  und des drohenden Anstiegs der Kostendynamik eine solidarisch finanzierte Pflegeversicherung vor. Man stehe vor gesellschaftlichen Herausforderungen, die man nur gemeinsam bewältigen könne. 

Ins selbe Horn stößt Ehernhöfer. Er drängt auf ein allgemeines Umdenken: „Die gesellschaftliche Entwicklung geht in Richtung Full-Service-Staat, wodurch die Budgets an ihre Belastungsgrenzen stoßen“, warnt er und mahnt zu „mehr Eigenverantwortung“ und einem konstruktiven, gemeinsamen Weg mit der Bevölkerung.

Steirische Gemeinden drohen als Auftraggeber für KMU auszufallen

Nicht nur auf Bundes- und Landesebene wachsen die Budget­löcher – auch die Gemeinden sehen sich zunehmend wachsenden Finanzierungsherausforderungen gegenüber. So haben sich die Finanzschulden in den steirischen Kommunen zwischen den Jahren 2000 und 2023 beinahe verdoppelt. Diese Negativentwicklung hat direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft, da die Gebietskörperschaften – und da vor allem die Gemeinden – durch ihre Budgetnöte ihre Rolle als Auftraggeber für die regionale, kleinstrukturierte Unternehmerlandschaft nur mehr eingeschränkt wahrnehmen können. Parallel steigt der Druck, die Finanzierungslücken über Gebühren- und Abgabenerhöhungen zu schließen. Eine Doppelmühle, die den Standort schwächt, umso mehr mahnen Wirtschaftsvertreter auch hier nachhaltige Reformen ein.