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Viele verschiedene Gegenstände in der Nähe einer orangenen Wand. Secondhand.
© New Africa | stock.adobe.com

Secondhand-Boom in der Steiermark

Mit Armut hat Secondhand kaum mehr etwas zu tun. Stattdessen boomt der Markt – stationär und online. Steirische Betriebe wissen das zu nutzen.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 29.10.2025

So manche Kundin, die mit Secondhand noch so gar nichts am Hut hat, sei beim Betreten des Geschäfts „Laden (noch) ohne Namen“ nahe des Grazer Hasnerplatzes positiv überrascht worden, erzählt Inhaberin Simone Dorfer. Kundin deshalb, weil es doch vorwiegend Frauen sind, die zum Stöbern vorbeischauen, und überrascht, weil von der erwarteten muffigen Ware jede Spur fehlt. Stattdessen bietet die 40 Quadratmeter große Verkaufsfläche hochwertige Kleidung und Taschen, Halstücher in allen Farben und Mustern sowie Schmuck, aber auch Geschirr, alte Spiele und Postkarten sowie Comics. „Alles, was es hier gibt, habe ich selbst angekauft und trage somit auch das volle Risiko, dass ich es weiterverkaufen kann“, erzählt Dorfer. Vor vier Jahren hat sie sich mit dem Laden selbständig gemacht und zeigt sich zufrieden: „Die Leute suchen das Besondere und wollen nachhaltiger leben. Es wird einfach viel zu viel produziert – insbesondere Kleidung. Ich denke, dass Secondhand aus diesen Gründen heute so beliebt ist.“

Simone Dorfer, Laden (noch) ohne Namen
© Andrea Jerkovic Simone Dorfer in ihrem Secondhand-Laden in Graz.

Recht gibt ihr eine Umfrage des Handelsverbandes aus dem Jahr 2024. Demnach wollen 77 Prozent der Befragten gebrauchten Produkten eine zweite Chance geben, 74 Prozent versuchen durch Secondhand-Käufe Geld zu sparen und 66 Prozent möchten auf diese Art die Umwelt schonen. In Summe kauft fast jeder zweite Bewohner Österreichs mehrmals im Jahr Secondhand-Ware. Das Angebot ist jedenfalls da. 

Nur 500 Meter weiter von Dorfers Geschäft befindet sich in der Grabenstraße ein Carla-Laden samt Kaffeehaus. Dass Secondhand längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, merkt man auch hier. Im Shop herrscht reges Treiben. Man trifft Jung und Alt. Viele kämen regelmäßig, erzählt Andreas Streif von der Caritas. Gesucht werden Kleidung, Spiele, Bücher oder Alltagsgegenstände. 

Qualität vor Quantität

33 solcher Shops betreibt die Caritas in der Steiermark – 56 sind es bundesweit. Damit gehört die Hilfsorganisation zu den bedeutendsten Playern im österreichischen Gebrauchtwaren-Markt. Die Waren werden ausschließlich über Spenden bezogen, die primär von Privaten, aber auch von Unternehmen verschenkt werden. Generell gilt: „Wird die Ware im Shop abgegeben, wird sie direkt vor Ort sortiert und – wenn geeignet – gleich im jeweiligen Laden angeboten. So bleibt die Wertschöpfung in der Region, mit kurzen Wegen und starkem lokalen Bezug“, erklärt Streif.  Mit dem Erlös werden Beschäftigungsprojekte finanziert. 

Carla-Laden
© Caritas Steiermark Bücher, Geschirr, Spiele oder Kleidung: Carla-Läden sind beliebt.

Auffallend: Weder an Kunden noch an Waren mangelt es – und das trotz Online-Händler-Riesen wie Refurbed, Vinted oder Willhaben, wo Privatleute ihre Waren unkompliziert selbst verkaufen können. Wie das sein kann? „Es gibt einfach ein enormes Überangebot an Sachspenden. Die größere Herausforderung liegt in der zunehmenden Menge an (Ultra-)Fast-Fashion, deren Qualität oft nicht mehr unseren Standards entspricht“, verrät Streif. 

Im Online-Handel ist aber auch die Caritas längst angekommen. Möglich macht das der digitale Marktplatz „Widado“ (weitere steirische Anbieter siehe rechts), der seinen Sitz in Graz hat und seit 2022 von mehreren karitativen Organisationen mit gebrauchter Ware bespielt wird – darunter auch die Volkshilfe oder das Rote Kreuz. Rund 30.000 Produkte habe man derzeit im Sortiment. „Die Organisationen wählen selbst, was sie online und was sie stationär verkaufen möchten. Online lässt sich ein höherer Preis erzielen“, erzählt Initiator Berthold Schleich. Noch befinde man sich in der Aufbauphase. Den Verkäufern stellt man eine eigene Fotoapp zur Verfügung, mit der Produkte aufgenommen und auf der Plattform hochgeladen werden können. Wie auch im stationären Handel sei die Nachfrage hoch.  „Gekauft wird bei uns durch die Bank – wobei die meisten Bestellungen nach Wien gehen. Wir hatten aber auch schon Lieferungen nach Deutschland. Die Leute kaufen, weil sie kaufen wollen. Mit sozialer Bedürftigkeit hat das gar nichts mehr zu tun.“ Und auch Schleich sieht in großen Secondhand-Plattformen keine Gefahr: „Online-Marktplätze wie Willhaben haben den Boden für Secondhand aufbereitet und gezeigt, dass Gebrauchtes etwas wert ist“, verrät Schleich.

IT-Hardware wie neu

Im Online-Handel aktiv ist auch Matthias Di Felice vom ersten österreichischen IT-Refurbisher „Compuritas“. Die Idee des Grazers? Unternehmen, die ihre Hardware tauschen wollen, können die gebrauchten Geräte von Compuritas abholen lassen. Die Daten werden vernichtet und die Geräte so aufbereitet, dass sie an Privatpersonen weiterverkauft oder an Schulen gespendet werden können. „Unsere Kunden kaufen lieber gebrauchte, aber dafür qualitativ hochwertige Ware. Unternehmen haben hingegen kaum Aufwand“, erzählt Di Felice. Das Konzept geht auf und wurde jüngst belohnt: Vor kurzem wurde Compuritas mit dem CTC-Award für die Förderung von Kreislaufwirtschaft ausgezeichnet.

Matthias Di Felice, CEO Compuritas
© Compuritas Matthias Di Felice ist Vorreiter in Sachen IT-Refurbishment.