Wo Inklusion die Regel ist
Menschen mit Behinderung bereichern die Arbeitswelt. Dass die Zusammenarbeit mehr als nur funktioniert, beweisen steirische Betriebe.
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Kaffeeduft, Tellergeklapper und Stimmengewirr: Im Café Famoos in Mooskirchen ist dieser Tage wieder so einiges los. In der dazugehörigen Konditorei ist man gewappnet. Die Theke ist mit Kipferln, Punschkrapfen und Croissants gefüllt, die Kaffeemaschine läuft auf Hochtouren und auch beim Personal sitzt jeder Handgriff. Nicht ungewöhnlich – doch das Café mitten im Ortszentrum besticht durch ein anderes Detail. Die Mehrheit der Mitarbeiter hat eine Behinderung. Was hier funktioniert, klappt auch in Leibnitz im Café Miteinand, in der KAGes und bei der Steiermärkischen Sparkasse, in der Therme Bad Blumau sowie beim Team Styria (mehr zu allen Betrieben siehe weiter unten). Sie alle beschäftigen Menschen mit und ohne Behinderung und profitieren in vielerlei Hinsicht, erklärt Claudia Schneider vom Sozialunternehmen Atempo: „Das Teamgefüge wird gestärkt. Empathie und Hilfsbereitschaft werden gefördert und das Team wird entlastet. Es ist ein Irrglaube, zu denken, dass Menschen mit Behinderung keine Arbeitsleistung erbringen können.“ Schneider muss es wissen. Die Sozialpädagogin begleitet gemeinsam mit ihrem Team Menschen mit Behinderung beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Von einem Randthema ist man jedenfalls weit entfernt. 18,4 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben mit einer Beeinträchtigung. Bei Atempo werden jährlich 83 Personen ins Jobcoaching aufgenommen und mittels Praktika an Firmen vermittelt, aus denen sich im Idealfall reguläre Beschäftigungsverhältnisse ergeben. „Natürlich ist die Einstellung einer Person mit Behinderung am Anfang mit einem Mehraufwand verbunden. Diesen versuchen wir aber durch unsere Arbeit abzufedern. Zum einen unterstützen wir unsere Klienten, zum anderen arbeiten wir aber auch mit Unternehmen und nehmen dem Personal die Unsicherheiten. Der Großteil glaubt, dass man Menschen mit Behinderung wie rohe Eier behandeln muss. Aber das stimmt nicht. Man sollte natürlich auf ihre Schwächen Rücksicht nehmen, aber behandeln sollte man sie gleich wie alle anderen.“ Atempo selbst setzt das im hauseigenen Restaurant „Das Lorenz“ um. Beschäftigt werden hier Personen mit und ohne Behinderung im Service und in der Küche. Den Gästen gefällt es: Seit Jahren wird man auf Plattformen top bewertet. Neben dem Tagesgeschäft richtet man auch Feste aus, bereitet Caterings zu und beliefert Firmen mit Mittagessen.
Die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung fördert die Empathie und die Hilfsbereitschaft. Zudem werden Teams entlastet.

Claudia Schneider
Bildungsleiterin bei Atempo
Über zahlreiche zufriedene Kunden darf sich auch das Team Styria freuen. Das Unternehmen mit Standorten in Graz, Kapfenberg, Spielberg und Trieben ist einer von acht integrativen Betrieben in Österreich. Diese müssen laut Vorgabe des Sozialministeriums mindestens 60 Prozent Menschen mit Behinderung in ihrer Belegschaft haben. Das Team Styria übertrifft dies mit 75 Prozent bei weitem. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch – ganz im Gegenteil. Neben Auspuffanlagen für Lkw und Hoteleinrichtungen steht das Team Styria auch hinter der Technik der Lautsprecher im Wiener Stephansdom. Im Betrieb ist man sich sicher: „Zusammen im Team sind uns keine Hürden zu groß.“
Für inklusives Arbeiten ausgezeichnet
91 Personen mit Behinderung arbeiten aktuell in den Steirischen Krankenanstalten. Die KAGes zählt in Sachen Inklusion zu den steirischen Vorzeigebetrieben. So wurde das LKH-Universitätsklinikum Graz bereits 2014 von Austrian Leading Companies gemeinsam mit Zero Foundation für herausragende Leistungen in der Behindertenarbeit ausgezeichnet. Auf was man Wert legt, ist eine offene und klare Kommunikation. „Gleiche Chancen für alle Beschäftigten bilden das Fundament für ein wertschätzendes Miteinander“, heißt es seitens des Unternehmens. Damit das gelingt, wurden Barrieren beseitigt und Arbeitsplätze auf die individuellen Bedürfnisse angepasst.
Sprungbrett in die Beschäftigung
Das Café Famoos mit drei Standorten in Mooskirchen und Graz wird von LebensGroß betrieben. Aktuell werden 70 Personen beschäftigt – davon sind 44 Menschen mit Behinderung. Gegründet wurde es 1999 in Mooskirchen und war anfangs nicht unumstritten. „Menschen mit Behinderung waren damals noch selten im öffentlichen Raum zu sehen“, heißt es von LebensGroß. Heute hat sich das Café etabliert und wurde auch von Falstaff ausgezeichnet.
Auf die Stärken kommt es an
Seit 2023 arbeitet die Therme Bad Blumau mit der Lebenshilfe Hartberg zusammen. „Dank dieser Partnerschaft gelingt es uns, engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen und ihnen eine erfüllende Tätigkeit zu ermöglichen – für alle Beteiligten und für ein vielfältiges, inklusives Arbeitsumfeld“, erzählt Direktorin Melanie Franke. Derzeit beschäftigt man zwölf Menschen mit Behinderung. Die Tätigkeitsfelder reichen von administrativen Aufgaben über diverse Hilfsarbeiten bis hin zu Hausmeister- und Reinigungstätigkeiten. Wer wo eingesetzt wird, hängt von den individuellen Stärken ab. „Viele klagen über den Fachkräftemangel. Wir denken visionär.“
Individuelle Bedürfnisse im Fokus
Barrierefreiheit wird bei der Steiermärkischen Sparkasse seit einigen Jahren großgeschrieben, und das kommt nicht nur den Kunden, sondern auch den Mitarbeitern zugute. Besondere Maßnahmen wurden für Menschen mit Hörbeeinträchtigung getroffen. Filialen, in denen hörbeeinträchtigte Mitarbeiter tätig sind, werden bereits seit mehreren Jahren mit mobilen induktiven Höranlagen ausgestattet. Das Gleiche gilt für ausgewählte Säle, die ebenso mit induktiven Höranlagen ausgestattet wurden. Generell achtet man bei Filialumbauten darauf, diese sukzessive barrierefrei zu gestalten, heißt es von der Steiermärkischen Sparkasse.
Qualität mit gelebter Integration
Auf Skepsis gegenüber inklusiver Beschäftigung reagiert das Team Styria gelassen: „Die beste Antwort auf etwaige Vorurteile ist die Qualität unserer Produkte.“ 75 Prozent der Beschäftigten haben eine Behinderung. Bewerbungen von Personen mit Beeinträchtigungen werden bevorzugt, der Bewerbungsprozess ist aber ansonsten ähnlich wie bei anderen Betrieben. „Wir stärken die Stärken unserer Mitarbeiter. Schwächen rücken in den Hintergrund.“
Offen neue Wege bestreiten
Als die Grazer Bäckerei Sorger heuer in Leibnitz eröffnete, wagte man etwas Neues, denn hinter der Bäckereitheke arbeiten Sorger-Mitarbeiter, während das Gebäck samt Heißgetränk von Lebenshilfe-Kunden im „Café Miteinand“ serviert wird. Das 27-köpfige Team im Café setzt sich aus Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Für Paul Sorger ein Gewinn: „Das Feedback der Gäste fällt durchwegs positiv aus. Mit der Zusammenarbeit sind wir sehr zufrieden. Die Assistenten sowie die Mitarbeiter der Bäckerei Sorger geben den Kunden der Lebenshilfe die Zeit, die sie brauchen, und die Gäste schätzen das entschleunigte Klima.“