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Prägraten am Großvenediger
© Ramona Waldner

Sommertourismus: Kraftvolles Revival

Mehr oder weniger parallel zu den Hitzerekorden in südlicheren Gefilden steigen im Tourismusland Tirol die Nächtigungszahlen im Sommer. 2023 lagen sie so hoch wie nie zuvor. „Sie sind nur ein Teil der Wahrheit, viel Aufmerksamkeit muss auf der Wertschöpfung liegen“, sagt Alois Rainer. Der Spartenobmann der Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WK Tirol betont: „Der Tourismus ist im Sommer total vielfältig und zukunftsträchtig“. Bike- und Wanderleidenschaften wollen aber auch bedient und clever bespielt werden.

Lesedauer: 8 Minuten

03.06.2025

Es klingt fast nach Stress. Ein erster Sprint war es jedenfalls, denn schon knapp drei Monate vor dem Start war absolute Blitzesschnelle gefragt. Innerhalb von nur 32 Minuten waren alle Startplätze für den Karwendelmarsch 2025 vergeben. 2.500 Teilnehmer:innen sind die fixe Obergrenze für dieses alljährliche Wanderund Laufereignis durchs spektakuläre Grenzgebirge, und weil noch viel mehr Menschen gerne dabei sein würden, war das Ergattern der Startplätze die erste Hürde. Am 30. August 2025 werden die Glücklichen dann zusammen entweder von Scharnitz in die Eng oder sogar noch weiter bis Pertisau am Achensee unterwegs sein. 35 oder 52 Kilometer gehend oder laufend, plaudernd oder schwer schnaufend und jedenfalls als Teil einer großen Landschafts- und Bergfreunde-Community, die im Naturpark Karwendel voll auf ihre Kosten kommt. Eine Community, die mit dazu beiträgt, die touristischen Gedanken mehr und mehr auf die schneelosen Monate zu konzentrieren und sie angesichts des schwindenden Weiß auch ganz gezielt dorthin zu fokussieren.

„Wenn man schaut, wie viele Menschen zum Karwendelmarsch pilgern – das ist unglaublich. Ich glaube, dass das Erlebnis in der freien Natur, in der frischen Luft für die nächste Generation Gast ganz, ganz wichtig ist“, stellt Alois Rainer, Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK Tirol, fest und hüpft auch gleich mit einem verbalen Kopfsprung in den touristischen Sommer hinein, der seit ein paar Jahren ein Revival erlebt und drauf und dran ist, das Tourismusland Tirol neu zu prägen. „Man hat schon vor Corona gemerkt, dass saisonal ein anderer Zug reingekommen ist“, sagt Alois Rainer – und hält fest: „Es wird in vielen Urlaubsdestinationen derart heiß mittlerweile, dass der Urlaub dort vielleicht nicht mehr den Erholungseffekt hat“, weiß Rainer um den Reiz der kühlen Täler und Höhen, die Tirol prägen und durchaus ein starker Magnet für hitzegeplagte Erholungsuchende sein können.

Saisonale Wechselspiele

Die Zahlen untermauern diesen Effekt. 2024 wurden in Tirol 22,7 Mio. Nächtigungen im Sommer gezählt. 2023 waren es sogar 22,8 Mio. gewesen – die höchste je gemessene sommerliche Übernachtungszahl seit Beginn der statistischen Erfassung. Dieses All-Time-High hatte sogar den Sommer 1991 übertrumpft und damit jene Saison, nach der die ziemlich viel wertschöpfende heimische Tourismusschere zugunsten des Winters aufgegangen ist.

„Nach dem Krieg war der Wintertourismus noch nicht vorhanden, da war Tirol rein für den Sommertourismus bekannt“, blickt Alois Rainer ein paar Generationen zurück in die Zeit, in der der Tourismus in Tirol laufen lernte. Im wahrsten Sinn des Wortes tat er das. Der Spartenobmann erinnert beispielsweise daran, dass damals in fast jedem Ort ein Wanderverein gegründet wurde. Vereine, die dann oftmals mit fröhlichen Delegationen nach Deutschland gefahren sind und sich dort auf Suche nach Partnergemeinden gemacht hatten. „Das waren gewissermaßen die ersten Gehversuche für den Tourismus – die Leute mit einer Partnerschaft zu uns zu holen und zu zeigen, was wir alles Schönes haben“, so der Tourismus-Spartenobmann.

Das Schöne und auch Kühle des Landes hatte Gäste zwar bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zur Sommerfrische nach Tirol gelockt, doch bedeutete der Zweite Weltkrieg eine Zäsur für alles Leben, überall. Und um dem Leben auch in peripheren Regionen und Tälern Tirols eine wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, wurden das Wandern und die Wandernden gastfreundlich zelebriert.

Veranstaltungen, wie Jöcher-, Bergspitzen- oder Tal-Wanderungen, waren in zahlreichen Orten und Regionen zu fixen Bestandteilen in den touristischen Sommerkalendern geworden. Die Wandernadeln wurden gesammelt und an die Wanderhüte gesteckt, Plaketten auch auf Wanderstöcken verewigt.

Mit zunehmender Konzentration auf den Winter, der Veränderung der Gastgeber:innenStrukturen und wohl auch jenen des Urlaubs-Geschmacks, waren diese heiteren Wander-Events sukzessive verschwunden.

„Ich bin davon überzeugt, dass so was wieder kommt und diese Events wiederbelebt werden“, sagt Alois Rainer. Der Karwendelmarsch mag eine Ausnahme und längst als traditionell zu bezeichnen sein, doch zeigt er eben perfekt, welche Massen durch das gemeinsame Erleben und Gehen und Laufen erreicht werden können. „In einer anderen Weise und der Zeit natürlich angepasst, steckt in solchen Events viel Anziehungskraft. Mit Frankfurtern und einer Dose Bier am Ziel zerreißt man nicht mehr die Welt. Aber mit Kulinarik und Regionalität lassen sich da viele Themen bespielen“, so der Tourismus-Experte.

Einige Regionen tun das bereits – oder wieder, oder noch immer. Das Alpbachtal beispielsweise mit der „Alpbachtal 24h Wanderung“, die Wildschönau mit der „Höhenweg Trophy“, die Ebbser mit dem „Koasamarsch“, die Ötztaler mit dem „Gletscherflohmarsch“ und dem „Ötztalmarsch“, die Zillertaler mit dem „Steinbockmarsch“ oder die Leutascher mit dem „Einhornmarsch“.

Ich glaube, dass das Erlebnis in der freien Natur, in der frischen Luft für die nächste Generation Gast ganz, ganz wichtig ist.


Cleverer Doppelnutzen

Wie sich das Wander-Thema touristisch den ganzen lieben Sommer lang bespielen lässt, zeigt nicht zuletzt auch die Tiroler Wanderregion mit den Orten Ellmau, Going, Scheffau und Söll. Sie arbeiten unter dem Dach des TVB Wilder Kaiser zusammen, der Anfang Mai 2025 erneut das Europäische Wandergütesiegel erhalten hat. Das Gütesiegel wird alle vier Jahre verliehen und bewertet unter anderem die Qualität der Wanderinfrastruktur, das Serviceangebot sowie die Inszenierung des Naturraums.

Über 200 Kilometer gepflegte Wege, spektakuläre Wanderrouten, familienfreundliche Themenpfade und anspruchsvolle Gipfeltouren stehen dort nicht nur den Gästen, sondern auch den Einheimischen zur Verfügung. Für die Lebensqualität ist das ein sattes Plus. „Ja, diese Infrastruktur, die durch den Tourismus den Einheimischen zur Verfügung gestellt wird, gibt es de facto in dieser Art in keinem anderen Bundesland“, ist Alois Rainer überzeugt.

Auch wenn die Gemeindekassen überstrapaziert werden – wie das aktuell recht dramatisch der Fall ist – bleiben durch die Zuneigung beziehungsweise Zuwendungen der Tourismusverbände die Kreisverkehre begrünt, die Parkbänke gestrichen und die Müllkübel geleert. „Das wird selten wahrgenommen“, weiß Alois Rainer, der in den bestehenden, zumeist für den Winter gebauten Infrastrukturen einen großen Vorteil für den Sommer sieht: „Die ganze Infrastruktur, die einst für den Winter geschaffen wurde, können wir perfekt im Sommer umsetzen. Indem aus den Beschneiungs-Teichen kleine Badeteiche werden. Oder wenn die Wege, die da gebaut worden sind, bewandert oder auch mit einem Mountainbike oder E-Bike genutzt werden können.“

In einem Interview mit der Tiroler Wirtschaft bestätigte Reinhard Klier, Obmann der Tiroler Seilbahner, jüngst ebendiesen Nutzen, der sich auch für Seilbahn-Unternehmen im Sommer verdoppelt. „Immer mehr Skigebiete versuchen mit Angeboten für Familien und Sportler:innen einen Ganzjahresbetrieb zu erreichen. Im Sommer geht es nicht nur um den Aufstieg zum Gipfel – sondern um Erlebnisse, Naturgenuss, Familienattraktionen und sanften Tourismus. Durch durchdachte Konzepte mit Erlebnisparks, Themenwegen und Bike-Trails schaffen wir es, auch in den warmen Monaten hohe Besucherzahlen zu erreichen“, so Klier, dessen Stubaier Gletscherbahnen zu jenen 26 Tiroler Bergbahnen zählen, die mit dem Gütesiegel „Beste Österreichische Sommer-Bergbahn“ der Wirtschaftskammer Österreich ausgezeichnet wurden.

Der naheliegende und clevere Doppelnutzen bietet sich nicht nur in den Höhen an, sondern auch in den Häusern, die sich neben dem Winter nun auch vermehrt dem Sommer zuwenden. Die Metamorphose findet vielfach in den Skikellern statt oder eben in jenen großzügigen Räumlichkeiten, in denen die Gäste ihre Wintersportutensilien gut untergebracht wissen.

Wandernde haben für ihre Sachen mehr oder weniger im Rucksack Platz. Selbst wenn sie gerne ein kleines Wellness-Angebot genießen, um am Abend die müden Muskeln zu entspannen, stellen sie die Unternehmen nicht vor allzu große Herausforderungen. Ein bisschen anders ist das bei den Bikerinnen, deren Ansprüche direkt proportional mit dem Wert der Fahrräder wachsen.

Peter Neusser
© Great Trails Lermoos Das Thema Radfahren wird für den Tiroler Tourismus immer wichtiger. Kein Wunder, denn dem Biker:innen-Herz wird hierzulande alles geboten, was es begehrt.

Der Bike-Boom

„Da brauche ich natürlich auch ein bissl eine Infrastruktur im Haus. Das heißt, einen versperrbaren Radraum – die E-Bikes kosten ja ein kleines Vermögen mittlerweile. Das muss besser gesichert sein, als ein Parkplatz oder eine normale Garage“, sagt Alois Rainer. Ein kleiner Montageständer und ein Kompressor, um den Reifendruck der Bikes an Straßen oder Schotterwege anpassen zu können, ist auch nicht verkehrt. „Dann die Ladeinfrastruktur für die E-Bikes. Die Zeiten, in denen man da ein Verlängerungskabel mit Mehrfachstecker angeboten hat, sind vorbei. Das haben wir am Anfang auch nicht anders gemacht“, so Alois Rainer, der diesbezüglich aus der Schule beziehungsweise aus dem Gasthof Post seiner Familie in Strass im Zillertal plaudern kann: „Wir haben beispielsweise im Skikeller, wo wir Spinde haben um die Ski einzusperren, letzten Oktober überall ein Kabel mit einer Steckdose reinlegen lassen. Da kann jeder seinen Akku gesichert aufladen und den Spind absperren.“

Für jene Radelnden, die ihre Bikes nicht mitbringen wollen, stellen die Rainers keine Fahrräder zur Verfügung, sondern arbeiten mit zwei Sportgeschäften in der Nähe zusammen, die sich professionell darum kümmern, dass die gewünschten Räder zur richtigen Zeit zur Verfü- gung stehen – mit Helm und Schloss und geladenem Akku versteht sich.

Die Spielarten der radelnden Gäste sind so verschieden und bunt wie die Menschen selbst oder wie die Tiroler Gegenden, die sie erkunden wollen. Wer große Strecken beziehungsweise richtig weit auf entsprechenden Radwegen radelt, braucht ein Zimmer meist nur für eine Nacht und eventuell einen Taxidienst fürs Gepäck. Jüngere, wagemutigere Biker:innen freuen sich nicht nur über anspruchsvolle und abwechslungsreiche Trails, sondern auch über entsprechende Events oder Wettkämpfe, die älteren Semestern wiederum total egal sind, weil sie sich nur freuen, mit den E-Bikes wieder schöne Touren ohne gröbere Erschöpfungserscheinungen bewältigen zu können. „Der Tourismus ist im Sommer total vielfältig“, so Alois Rainer. Stimmt.

Im Rahmen einer dem Sommertourismus gewidmeten Diskussionsrunde der Initiative Vitalpin hatte Michaela Burger, Geschäftsführerin der Bergbahnen Hochoetz, beispielsweise festgehalten, dass sich das Tal im Sommer immer stärker auf Biker:innen fokussiere. Die Oberländer Region als Urlaubsziel für Mountainbiker:innen wird mit der eigenen Marke „Bike Republic“ beworben, die Bergbahnen befördern zunehmend auch Menschen und ihre Zweiräder – und damit sie an Eindrücken voll und sicher ins Tal gelangen können, wird über weitere Downhill-Strecken und Trails nachgedacht.

Vieles bewegt sich in Richtung Sommer. Egal, ob auf zwei Beinen oder zwei Rädern. Und Spartenobmann Alois Rainer sagt: „Ich glaube, im Sommer schlummern große Chancen.“

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