Frustrierte Frau umgeben von Schachteln
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E-Commerce Rechtsfrage #3: Welche Rechte haben Onlinehändler, wenn der Verbraucher die bestellte Ware nicht annimmt? 

Lesedauer: 4 Minuten

25.03.2024

Es kommt leider immer wieder vor, dass Verbraucher bestellte Ware nicht annehmen oder ein hinterlegtes Paket nicht bei der Post abholen und die Ware sodann an den Händler zurückgesendet wird. Was Händler in solchen Situationen tun können, erläutern wir in diesem Beitrag. 

Mögliche Gründe für die Nichtannahme

Vorauszuschicken ist, dass es unterschiedliche Gründe dafür geben kann, warum Verbraucher bestellte Ware nicht annehmen oder nicht bei der Post abholen. Eine längere Abwesenheit des Verbrauchers (z.B. Urlaub) könnte ein Grund für die Nichtannahme sein. Es könnte auch sein, dass kein Interesse mehr am Produkt besteht oder der Käufer seinen Bedarf bereits durch ein anderes Produkt gedeckt hat.

Sind Kunden zur Annahme verpflichtet?

Wenn ein Verbraucher eine von ihm bestellte Ware nicht annimmt, kommen Händler in eine unbefriedigende Situation. Im österreichischen Recht gibt es keine Pflicht zur Annahme der Ware. Nimmt der Kunde die vertragsgemäß gelieferte Ware nicht an, so bleibt der Vertrag aufrecht und der Kunde ist weiterhin zur Kaufpreiszahlung verpflichtet.

Stellt die Nichtannahme einen Rücktritt/Widerruf gemäß § 11 ff FAGG dar?

Verbraucher haben das Recht, von Verträgen, die im Wege des Fernabsatzes (dazu zählt auch der Onlinehandel) geschlossen wurden, innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Um das Rücktrittsrecht auszuüben, muss der Verbraucher seinen Rücktritt erklären. Diese Rücktrittserklärung ist an keine bestimmte Form gebunden (§ 13 Abs 1 FAGG), jedoch muss die Rücktrittsabsicht aus der Erklärung des Verbrauchers eindeutig hervorgehen.

Die bloße Nichtannahme oder unkommentierte Rücksendung stellt jedenfalls keinen wirksamen Rücktritt/Widerruf gemäß § 13 FAGG dar.

Gerät der Verbraucher bei Nichtannahme in Annahmeverzug?

Grundsätzlich gerät der Verbraucher gemäß § 1419 ABGB in Annahmeverzug, wenn der Unternehmer die Ware vertragsgemäß anbietet, der Verbraucher diese aber nicht annimmt.

Von einem Annahmeverzug gemäß § 1419 ABGB kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn der Zustellversuch ohne vorherige Terminvereinbarung erfolglos verläuft, weil der Verbraucher im Zeitpunkt der Lieferung nicht an der Lieferadresse anzutreffen ist.

Wann ein Annahmeverzug vorliegt, ist im Einzelfall festzustellen, jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass der Kunde spätestens mit Ende der Abholfrist beim Paketdienstleister in Annahmeverzug gerät.

Rechtsfolgen des Annahmeverzug sind:

  • Übergang der Gefahr: Im Annahmeverzug geht die Gefahr für Verlust oder Beschädigung der Ware auf den Verbraucher über. Das bedeutet, dass der Verbraucher den Kaufpreis auch bei zufälligem Verlust oder zufälliger Beschädigung der Ware leisten muss. Der Händler muss hingegen nicht erneut liefern.  
  • Senkung des Haftungsmaßstabs: Der Annahmeverzug bewirkt auch eine Haftungserleichterung für den Unternehmer. Dieser haftet nur mehr im Falle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz.
  • Vertrag bleibt aufrecht: Der Annahmeverzug des Verbrauchers allein gibt dem Onlinehändler nicht das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. Der Onlinehändler kann sich jedoch durch gerichtliche Hinterlegung der Ware von seiner Schuld befreien (§ 1425 ABGB).

Darf man die zurückgesandte Ware weiterverkaufen?

Geht die vom Verbraucher nicht angenommene Ware an den Händler zurück, so stellt sich die Frage, ob der Händler die Ware weiterverkaufen darf. Die Antwort lautet: Solange der Vertrag aufrecht ist, muss der Händler weiterhin leistungsbereit und leistungsfähig bleiben.

  • Bei Waren, die jederzeit in gleichwertiger Art wiederbeschafft werden können (Gattungskauf, z.B. Messerblock der Marke XY), darf der Händler das konkrete Stück weiterverkaufen. Er kann den Kaufvertrag ja weiterhin durch Lieferung eines anderen Stückes gleicher Art und Güte erfüllen.
  • Handelt es sich bei der Ware um ein Einzelstück (Stückkauf, z.B. Antiquität), ist eine Weiterveräußerung nicht zulässig, da der Händler sodann den Kaufvertrag nicht mehr erfüllen kann. Das bedeutet nicht, dass der Onlinehändler die Ware für den Kunden auf unbestimmte Zeit auf Lager halten muss – wie bereits ausgeführt, kann sich der Händler durch gerichtliche Hinterlegung von seiner Schuld befreien.

Erneute Zusendung: Wer muss für die zusätzlichen (Versand)Kosten aufkommen?

Befindet sich der Verbraucher im Annahmeverzug, hat der Unternehmer Anspruch auf die Kosten des dadurch entstandenen Mehraufwands, wie z.B. Verwahrungs- oder Transportkosten für den Zweitversand (nochmalige Zusendung).

Tipps zur Vorgehensweise bei Nichtannahme der Ware

  • Suchen Sie das Gespräch: Kontaktieren Sie den Kunden, um herauszufinden, warum die Ware nicht angenommen wurde. Es könnte sein, dass es Probleme mit der Lieferung gab oder dass der Kunde seine Meinung zum Kauf geändert hat.
  • Erläutern Sie dem Kunden, welche Lösungsmöglichkeiten es in dieser Situation gibt und vereinbaren Sie die weitere Vorgehensweise. 
  • Kundenservice: Bieten Sie während des gesamten Prozesses einen guten Kundenservice an, um Fragen zu beantworten und Probleme schnell zu lösen. Positive Erfahrungen mit dem Kundenservice können dazu beitragen, das Vertrauen in das Unternehmen zu stärken.
  • Unkomplizierter Rücksendeprozess: Um unerwünschte Nichtannahmen vorweg zu vermeiden, achten Sie auf einen unkomplizierten Rücksende- und Umtauschprozess.
  • AGB-Regelung treffen: Regeln Sie die Rechtsfolgen des Annahmeverzugs in Ihren AGB.

Indem Sie proaktiv auf die Nichtannahme von Waren beim Versendungskauf reagieren und unkomplizierte Lösungsmöglichkeiten anbieten, können Sie dazu beitragen, die Kundenzufriedenheit zu steigern und das Vertrauen in Ihr Unternehmen zu stärken.


Sie haben noch weitere Fragen zum Thema E-Commerce? Wir sind für Sie da! 

Jacqueline Eder, LL.B.
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e-service@wknoe.at

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