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Schwellen­werte und Be­rechnung des geschätzten Auftrags­wertes im Vergabe­verfahren

Auftragswerte und Schwellenwerte

Lesedauer: 5 Minuten

Allgemeines 

Der Wert des zu vergebenden Auftrages ist von maßgeblicher Bedeutung für allfällige Veröffentlichungspflichten und die Wahl des Verfahrens. Wenn zu Unrecht ein bestimmtes Verfahren gewählt wurde (z.B. eine Direktvergabe statt einem obligatorischen offenen Verfahren) hat ein Unternehmer bestimmte Rechtsschutzmöglichkeiten beim Bundesvergabeamt bzw. bei den Rechtsschutzbehörden der Länder.

Gemäß § 13 BVergG 2018 ist die Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes eines Auftrages der Gesamtwert ohne Umsatzsteuer, der vom öffentlichen Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen ist. Bei dieser Berechnung ist der geschätzte Gesamtwert aller der zum Vorhaben gehörigen Leistungen einschließlich aller Optionen und etwaiger Vertragsverlängerungen, die in der Ausschreibung ausdrücklich vorgesehen werden sollen, zu berücksichtigen.

Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an Bewerber oder Bieter vor, so hat er diese bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes zu berücksichtigen.

Der geschätzte Auftragswert der auszuschreibenden Leistung ohne Umsatzsteuer ist vom öffentlichen Auftraggeber vor der Durchführung des Vergabeverfahrens sachkundig zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung ist der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber. Bei Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung ist dies der Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung, bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die erste nach außen in Erscheinung tretende Entscheidung.

Berechnung des geschätzten Auftragswertes

Berechnung des geschätzten Auftragswertes bei Lieferaufträgen

Bei Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf ist als geschätzter Auftragswert anzusetzen:

  • bei befristeten Aufträgen mit einer Laufzeit von höchstens 12 Monate der geschätzte Gesamtbetrag der während der Vertragsdauer voraussichtlich zu leistenden Entgelte;
  • bei befristeten Aufträgen mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten der geschätzte Gesamtbetrag der während der Vertragsdauer voraussichtlich zu leistenden Entgelte;
  • bei unbefristeten Aufträgen oder bei unklarer Vertragsdauer das 48fache des voraussichtlich zu leistenden Monatsentgeltes.

Berechnung des geschätzten Auftragswertes bei Dienstleitungsaufträgen 

Bei Aufträgen über die folgenden Dienstleistungen ist als geschätzter Auftragswert anzusetzen:

  1. bei Versicherungsdienstleistungen die Versicherungsprämie und sonstige Entgelte;
  2. bei Bankdienstleistungen und anderen Finanzdienstleistungen die Gebühren, Provisionen und Zinsen sowie andere vergleichbare Vergütungen;
  3. bei Aufträgen, die Planungsleistungen zum Gegenstand haben, die Gebühren, Provisionen sowie andere vergleichbare Vergütungen

Bei Dienstleistungsaufträgen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist als geschätzter Auftragswert anzusetzen:

  1. bei befristeten Aufträgen mit einer Laufzeit von höchstens 48 Monaten der geschätzte Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages;
  2. bei unbefristeten Aufträgen oder Aufträgen mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten das 48fache des zu leistenden Monatsentgeltes.

Bericht des Verfassungsausschusses:

„Der Verfassungsausschuss stellt fest, dass bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, die für ein Vorhaben unterschiedliche Dienstleistungsarten mit gesonderter Vergabe umfassen, diese zur Berechnung des geschätzten Auftragswertes nur dann zusammen zu rechnen sind, wenn es sich um Dienstleistungen desselben Fachgebietes handelt.“

Berechnung des geschätzten Auftragswertes bei Bauaufträgen

Besteht ein Bauvorhaben aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen. Als Lose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhanges I (Gewerke).

Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes von Bauaufträgen ist neben dem Auftragswert der Bauleistungen auch der geschätzte Gesamtwert aller für die Ausführung der Bauleistungen erforderlichen Waren oder Dienstleistungen einzubeziehen, die dem Unternehmer vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Der Wert der Waren oder Dienstleistungen, die für die Ausführung eines bestimmten Bauauftrages nicht erforderlich sind, darf zum Wert dieses Auftrages insbesondere nicht mit der Folge hinzugefügt werden, dass die Vorschriften dieses Bundesgesetzes für die Beschaffung dieser Waren oder Dienstleistungen umgangen werden.

Achtung:
Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert der Lose Schwellenwert in Höhe von 5,538.000 Euro, so gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Bauaufträgen im Oberschwellenbereich für die Vergabe aller Lose. Dies gilt nicht für jene Lose, deren geschätzter Auftragswert weniger als 1 Million EUR beträgt, sofern der kumulierte Wert der vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Lose 20% des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. Für die Vergabe dieser Lose gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Bauaufträgen im Unterschwellenbereich; für die Wahl des Verfahrens gilt als geschätzter Auftragswert der Wert des einzelnen Loses.

Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert der Lose den in § 12 Abs. 1 Z 4 genannten Schwellenwert nicht, so gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Bauaufträgen im Unterschwellenbereich für die Vergabe aller Lose. Für die Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Aufträgen im Unterschwellenbereich gilt als geschätzter Auftragswert der Wert des einzelnen Loses.

Der Oberschwellenbereich 

Alle Betragsangaben verstehen sich ohne Umsatzsteuer:

Der maßgebliche Schwellenwert, ab dem eine EU-weite Bekanntmachung erfolgen muss (Oberschwellenwert) beträgt 

  • 221.000 EUR für Liefer- und Dienstleistungsaufträge (im Sektorenbereich
    443.000 EUR und für zentrale Beschaffungsstellen 143.000 EUR)
  • 5,583.000 EUR für Bauaufträge

Der Unterschwellenbereich - zugelassene Vergabeverfahren

Im Unterschwellenbereich bestehen folgende Regelungen:

Eine Direktvergabe ist möglich

  • bei Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 EUR (laut Schwellenwerteverordnung)

Eine Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ist möglich

  • bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 130.000 EUR
  • bei Bauaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 500.000 EUR

Ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung ist möglich 

  • bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 EUR (laut Schwellenwerteverordnung 2023) und
  • bei Bauaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 EUR (laut Schwellenwerteverordnung)

Ein Verhandlungsverfahren mit vorherige Bekanntmachung ist möglich 

  • bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 221.000 EUR und
  • bei Bauaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 5,538.000 EUR

Es sind dabei mindestens 3 Angebote einzuholen und es sollten auch kleine und mittlere Unternehmer ausreichend berücksichtigt werden. Wenn Leistungen, insbesondere geistigen Dienstleistungen dergestalt sind, dass eine vertragliche Beschreibung des Leistungsgegenstandes im vorhinein in der Weise nicht eindeutig erfolgen kann, dass eine Vergabe im offenen oder nicht-offenen Verfahren möglich ist, muss sogar das Verhandlungsverfahren gewählt werden. 

Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit nur 1 Unternehmer 

Auftraggeber können Aufträge über geistige Dienstleistungen in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit nur 1 Unternehmer vergeben, sofern

  • die Durchführung eines wirtschaftlichen Wettbewerbes auf Grund der Kosten des Beschaffungsvorganges für den Auftraggeber wirtschaftlich nicht vertretbar ist und
  • der geschätzte Auftragswert 50% des jeweiligen Schwellenwertes (Schwellenwert ab 1.1.2022: 215.000 EUR = 107.500 EUR) nicht erreicht.

Geistige Dienstleistungen sind Leistungen, die nicht zwingend zum gleichen Ergebnis führen, weil ihr wesentlicher Inhalt in der Lösung einer Aufgabenstellung durch Erbringung geistiger Arbeit besteht. Für derartige Leistungen ist ihrer Art nach zwar eine Ziel- oder Aufgabenbeschreibung, nicht jedoch eine vorherige eindeutige und vollständige Beschreibung der Leistung (konstruktive Leistungsbeschreibung) möglich. 

Ein nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung ist möglich bei

  • bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 EUR (laut Schwellenwerteverordnung) bis 31.12.2025 und
  • bei Bauaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 1,000.000 EUR (laut Schwellenwerteverordnung bis 31.12.2025)

Ein nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung ist möglich bei

  • bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 221.000 EUR und
  • bei Bauaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 5,538.000 EUR

Es sind dabei mindestens 3 Angebote einzuholen und die eingeladenen Unternehmer sind möglichst oft zu wechseln. Nach Möglichkeit sollten auch kleine und mittlere Unternehmen eingeladen werden.

Stand: 01.01.2024

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