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Altes Handwerk
© Valentina Mayr

Altes Handwerk: Starke Lebenszeichen

Mit der Förderaktion „Altes Handwerk“ wird jenes meisterhafte Können unterstützt, das vermeintlich aus der Zeit gefallen ist.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 08.09.2025

„Sie sind vom Aussterben bedroht“, weiß Franz Jirka zu den Betrieben, die mit der Aktion angesprochen werden. Traditionsreiche Handwerkskunst am Leben zu erhalten, ist keine Frage musealer Nostalgie, sondern eine Frage des kulturellen Erbes sowie der schönen, guten Handwerkswerte, die gerade eine Renaissance erfahren – und unbedingt gestärkt gehören.

Kulturelles Erbe

Die Entstehungsgeschichten echt guter Ideen, ist selten geradlinig. Vielleicht sind es ja genau diese Umwege, die sie am Ende echt gut machen. „Ursprünglich wollten wir eine Lehrlingsförderung für kleine, vom Aussterben bedrohte Handwerksbetriebe“, erinnert sich Franz Jirka, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der WK Tirol, an den Ursprungsgedanken. Der Gedanke, dass junge Menschen vom alten Handwerk fasziniert sind, darin ausgebildet werden und so diese oft über Jahrhunderte praktizierten Traditionen am Leben erhalten, liegt nahe. „Doch so kleine Betriebe können sich meist keine Lehrlinge leis-ten. Wenn, dann gibt es Quereinsteiger:innen“, beschreibt der Spartenobmann einen wichtigen Wendepunkt für die Idee, der durch die Tatsache, dass Tiroler Betriebe bereits eine Lehrlingsförderung beantragen und erhalten können, zum Knackpunkt für die neue Richtung wurde: Der Förderaktion „Altes Handwerk“, mit der das Land Tirol seit 2024 jene meist kleinen bis kleinsten Betriebe unterstützt, deren Handwerkskunst selten geworden ist. Hutmacher:innen zählen genauso dazu, wie Uhrmacher:innen, Buchbinder:innen, Schuster:innen, Orgelbauer:innen und so weiter und so wertvoll. Rund 400 Tiroler Betriebe zählen aktuell zum traditionellen „Alten Handwerk“ und im Sommer 2025 wurden bereits 41 Förderansuchen gezählt.  

Die Förderungen umfassen Investitionen in Sachanlagen oder Gebäude genauso wie in Einrichtungen oder Ausrüstungen. 30 % der Ausgaben werden gefördert, mindestens 5.000 Euro müssen sie betragen, mehr als 50.000 Euro aber nicht. Auch ein Übernahmebonus fällt in diese Förderschiene – etwa, wenn eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger einer nächsten Generation die Firma übernimmt. Bis zu 20.000 Euro können dafür gewährt werden.
Als Impulsgeberin war die WK Tirol bei der Ausarbeitung der Rahmenbedingungen und der Ausformulierung der Richtlinien dabei. „Es wirkt. Es hilft“, beschreibt Franz Jirka die Treffsicherheit der Aktion kurz und knapp.

Die Federkielsticker

„Mein Bruder Benni hat den Betrieb – die Feders-tielstickerei Seiringer hier in Faggen – im Jänner 2025 übernommen. Deswegen haben wir die Förderung beantragt und auch bekommen“, erzählt Melanie Ott. Sie ist mit 45 Jahren das älteste Kind von Isolde und Helmuth Seiringer. Benjamin ist, wie der Name schon verrät, ihr jüngster Bruder. „Dazwischen gibt’s noch zwei“, sagt Melanie. Alle vier Kinder sind jedenfalls mit einem Handwerk groß geworden, das nur noch vier Tiroler Betriebe betreiben und das ein so seltenes wie faszinierendes Kunsthandwerk ist. Die Federkielstickerei.

Federkielsticker Benni Seiringer
© Federkielsticker Seiringer Benni Seiringer ist Federkielsticker in Faggen.


Jahrhunderte alt ist dieses Handwerk, bei dem mit Fäden gestickt wird, die aus dem Kiel der Schwanzfedern des Pfaus herausgespalten wurden. Mit diesen „Kielfäden“ können ganz fantastische Muster gestickt werden - meist in edle Lederstücke, die mit einer Ahle beziehungsweise den Löchern, die mit ihr gestochen werden, vorbereitet wurden.  

Blumen, Ranken, Adler, Lyras, Ornamente, Wappen, Logos, Zunftzeichen, Instrumente, Werkzeuge - der Tradition und der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Ranzen, Bauchbinden, Gürtel, Geld - oder Handtaschen zu verzieren beziehungsweise auf die vielleicht feinste Art und Weise zu individualisieren. Melanie: „Es sind alles Einzelstücke. Da bekommt jeder und jede etwas Besonderes.“

Einzigartige Einzelstücke

Ja, besonders ist er – der Stolz, den Mitglieder von Musikkapellen, Trachtenvereinen, Schützengilden oder auch ganz „normale“ Männer mit ihren Ranzen tragen und ziemlich gerne zeigen. In Zeiten des Überflusses und Warenüberdrusses spricht die Freude über diese einzigartigen Einzelstücke Bände für die sonst nur schwer zu beschreibenden Werte, die Federkielstickerinnen oder Federkielsticker ganz handfest zu vermitteln verstehen. „In Südtirol, im Sarntal beispielsweise, ist die Federkielstickerei sehr bekannt, da ist es auch ein Lehrberuf. In Österreich nicht. Da wird es in der Familie weitergegeben“, weiß Melanie, die selbst 1997 in das Unternehmen eingestiegen ist, um sich um das Büro, den Verkauf und eine Vergrößerung des Sortiments zu kümmern.

Dass das Familienunternehmen überhaupt entstehen und wachsen konnte, ist eine eigene Geschichte. Helmuth Seiringer hatte ursprünglich Tapezierer und Bodenleger gelernt – den Beruf, der heute Raumausstatter genannt wird, hat dann aber bei der Bahn gearbeitet und immer bei der Musikkapelle mitgespielt.
Melanie: „Da waren die Ranzen zum Reparieren und sie sagten: „Mei Helmuth, du hast das doch in deiner Lehrzeit gelernt, kannst du’s nicht probieren.“ 1988 war das. Er probierte es.

Und es hat nicht nur funktioniert, es hat ihm auch Spaß gemacht. Nebenberuflich kümmerten sich Helmuth und Isolde Seiringer um die Handwerksschätze, machten sich einen Namen und seit ihre Tochter mit von der Partie war, wurde das Sortiment des Unternehmens erweitert. „Wir haben Trachtenmode dazugenommen und immer mehr Vereine sind dazugekommen – mittlerweile zählen zirka 150 Vereine zu unseren Kunden. Die statten wir fast komplett aus – bis auf Hüte und Jacken bekommen sie alles von uns“, weiß Melanie und betont: „Das besondere ist aber unsere Fedekielstickerei.“

Wie der Papa, so hatte sich auch Benjamin Seiringer für den Beruf des Raumausstatters entschieden. Und er hat das Talent des Vaters geerbt. „Die Federkielstickerei hat Benni immer interessiert. Er hat dann ein bissl angefangen bis er schließlich Vollzeit eingestiegen ist“, erzählt Melanie, „so geht das halt weiter.“ Ja, so geht das weiter. Und besser geht’s eigentlich nicht.

www.federkielstickerei-seiringer.at


Persönlicher Charakter

Valentin Mayr ist Buchbindermeister in Fieberbrunn. Auch er profitiert von der „Altes Handwerk“-Förderung des Landes und sagt im Interview mit der Tiroler Wirtschaft: „Ja, die Leute wertschätzen das Handwerk wieder mehr.“ Schön.

Tiroler Wirtschaft: Wie sind Sie zum Buchbinder-Handwerk gekommen?

Valentin Mayr: Ich habe die Schule abgebrochen und wollte ein Handwerk lernen. Die klassischen Berufe, wie Maler, Maurer oder Zimmerer wollte ich aber nicht. Es war eigentlich ein Zufall, dass ich zur Buchbinder-Lehre gekommen bin. Das war 2003.

Valentin Mayr übt die Kunst der Buchbinderei in Fieberbrunn aus.
© Valentin Mayr Valentin Mayr übt die Kunst der Buchbinderei in Fieberbrunn aus.


TW: Es ist schade, dass es nicht mehr viele Buchbindermeister wie sie gibt…

Mayr: …nein, viele gibt es nicht mehr. Aber irgendwie ist das auch gut für mich. Viele Dinge oder Aufträge sind mit der Digitalisierung komplett weggebrochen, Standesamtsbücher der Gemeinden beispielsweise. Ab und zu lassen sie sie Sitzungsprotokolle binden, aber ganz, ganz wenig.

TW. Welche Bereiche sind geblieben?

Mayr: Fachbereichsarbeiten beispielsweise. Da ist der Preisdruck relativ hoch, doch wenn man zwei Jahre lang an einer Arbeit schreibt, sollten 20 Euro keine Rolle spielen. Oft bestellen sie’s im Internet, sind nicht zufrieden und kommen zu mir.

TW: Sprechen Sie Leute an, die Wert auf Schönes und Haptik legen?

Mayr: Ich sage immer: Wenn’s wichtig ist, dann druckt man sich’s aus. Wenn’s wirklich wichtig ist, lässt man es binden. In der Gastronomie wird besonders Wert darauf gelegt. Speisekarten sind mein Hauptgeschäft.

TW: Glauben Sie, dass sich der Markt ändert und die Leute das Handwerk wieder mehr wertschätzen?

Mayr: Ja, ich denke schon, dass das wieder mehr kommt – speziell der Wert von etwas Handgemachtem und Regionalem ist schon wichtig. Da merkt man die Qualität, den Charme. Die Produkte haben einfach einen ganz anderen, persönlichen Charakter.

www.buch-binderei.at


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