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© Stocker GmbH

Linie für Linie neu

Neuanfang – Joan Lindner startete mit 50 ihre Lehre zur Technischen Zeichnerin.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 16.10.2025

Die Maus klickt, Linien erscheinen auf dem Bildschirm. Ein weiterer Klick, ein kurzer Zoom, ein anderes Detail taucht auf. Fensteröffnungen, Mauern, Treppen – was eben noch ein leeres Blatt war, nimmt Form an, wird zu einem Gebäude. „Da stimmt die Maßkette, das passt jetzt“, sagt Joan Lindner zufrieden und setzt einen präzisen Punkt. Für sie ist jeder Strich mehr als nur ein digitaler Befehl: Es sind die Grundsteine für Bauwerke, die bald Realität werden. Lindner ist Lehrling im dritten Jahr zur bautechnischen Zeichnerin bei der Stocker GmbH in Krumbach. Mit 50 gehört sie zu den ältesten Lehrlingen in Niederösterreich. Und doch sagt sie überzeugt: „Für mich ist dieser Weg genau richtig.”

Neu orientieren und zweite Chance nutzen

Lindner hat bereits mehrere Ausbildungen abgeschlossen: Werkzeugmaschineurin, Tischlerin, CNC-Programmiererin, DTP-Grafikerin. „Vor allem als Tischlerin habe ich viele Jahre gearbeitet. Aber nach Unfällen und längeren Auszeiten musste ich mich neu orientieren.“ Diese Zeit war ein Bruch, aber auch eine Wende. „Heute sehe ich sie als Chance. Ich wollte etwas, das zu meinen Interessen passt – präzises Planen, Gestalten, technische Genauigkeit.“ Und genau das fand sie bei der Stocker GmbH in Krumbach. „Mein Chef hat erkannt, dass ich ein breites Wissen mitbringe. So übernehme ich viele zusätzliche Aufgaben und werde von meinen Kollegen liebevoll die ‚Büro-Mama‘ genannt“, erzählt sie und lacht. So betreut sie auch alle EDV-Angelegenheiten im Betrieb. „Meine Vielseitigkeit ist gefragt – und das macht Freude.“ Vor allem aber erfüllt sie, wenn Theorie und Praxis zusammenkommen: „Es ist schön zu sehen, wie aus meinen Plänen echte Bauwerke entstehen.“ Leicht ist es nicht immer. „Meine Legasthenie ist eine Herausforderung. Technisches Zeichnen verlangt Genauigkeit und Konzentration. Aber das treibt mich an. Ich bin stolz, wie weit ich schon gekommen bin.“ In der Berufsschule, wo sie meist von viel jüngeren Lehrlingen umgeben ist, fühlt sie sich wohl: „Wir begegnen uns mit Respekt. Viele bieten mir ihre Hilfe an – das ist großartig.“

Meine Vielseitigkeit ist gefragt. Und das macht mir Freude. 

Die Reaktionen auf ihre Entscheidung waren unterschiedlich. „Ehrlich gesagt, ich hör’ da nicht so hin. Wichtig ist, dass meine Familie, vor allem mein Mann, hinter mir steht. Diese Unterstützung gibt mir Kraft.“ Bereut hat sie ihren Schritt nie. „Ich will die verbleibende Zeit im Berufsleben nutzen – und zwar so lange, wie es meine Gesundheit erlaubt. Für mich ist das eine zweite Chance. Und ich packe sie mit voller Energie.“

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