Unternehmen in Bewegung: Die Übergabe meistern
Betriebe über Generationen weiterführen heißt Verantwortung, Emotion und Vision zugleich. Die Wirtschaftskammer NÖ unterstützt hier mit vielen Services und Maßnahmen.
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Ich bin im Betrieb aufgewachsen. Ich wusste, worauf ich mich da einlasse“, sagt Magdalena Wurlitzer und führt lachend die Kaffeetasse zum Mund. In ihrem Blick liegt Ruhe, in ihren Worten Überzeugung. Der Stolz, die Rudolf Wurlitzer Gesellschaft m.b.H. in Perschling – seit 1851 in Familienbesitz – in die Zukunft zu führen, zeigt sich in jeder Geste, in jedem Wort. Nicht zur Schau gestellt, sondern tief verwurzelt. Die 25-jährige Unternehmerin weiß, was sie tut. Und sie weiß, warum. „Ich bin die vierte Generation. Die erste Frau. Und die erste Person an der Spitze, die nicht Rudolf heißt“, erklärt Magdalena, bevor sie grinsend hinzufügt: „Dabei habe ich einen Bruder, Florian Rudolf, aber der wollte den Betrieb nicht übernehmen. Genauso wenig wie meine Schwester.“ Was sie motiviert hat? „Ich habe schon als Kind am meisten zu Hause mitgeholfen, die Tourismusschule in St. Pölten besucht und anschließend Management studiert. So hat sich das irgendwie ergeben. Und da ich mit meinem Papa schon immer gut zusammenarbeiten konnte, war die Übernahme der richtige Schritt“, sagt sie überzeugt.
Generationenwechsel
Aktuell stehen in Niederösterreich tausende Betriebe vor einem Generationenwechsel. Allein zwischen 2020 und 2029 stehen österreichweit rund 51.500 kleine und mittlere Unternehmen vor einer Übergabe – das betrifft potenziell 700.000 Arbeitsplätze. In NÖ wurden seit 2020 mehr als 5.600 Betriebsübernahmen verzeichnet, allein 2024 waren es 1.222, vor allem in den Bereichen Gewerbe und Handwerk, Tourismus und Freizeitwirtschaft sowie Handel.
Die Rudolf Wurlitzer Gesellschaft m.b.H. ist in mehreren Geschäftsfeldern tätig: „Wir betreiben einen Regionalladen, eine Fleischerei, einen Viehhandel, eine Eventlocation samt Catering, und wir vermieten Zimmer“, umreißt Magdalena Wurlitzer, die den Betrieb im April diesen Jahres übernommen hat.
55 Prozent aller Übernahmen erfolgen innerhalb der Familie. Genau hier zeigt sich, wie wichtig stabile Rahmenbedingungen und gezielte Unterstützung sind. Denn viele Unternehmer:innen wissen zwar frühzeitig, dass sie ihren Betrieb weitergeben möchten – aber der Prozess ist herausfordernd und emotional. „Es waren vor allem rechtliche Fragen, die es im Vorfeld zu klären gab“, erzählt Magdalena. „Hier hat uns die Wirtschaftskammer NÖ mit ihrem Übergabe-Service sehr weitergeholfen. So konnten wir gut vorbereitet zum Notar gehen und die Übergabe rasch abwickeln.“ Das rund 20-köpfige Team ist geblieben. Ein junger Bursch hat kürzlich mit der Fleischerlehre begonnen, und ein Mitarbeiter absolviert derzeit den Meisterkurs. In Perschling stehen die Zeichen auf Zukunft.
Regionalladen wird vergrößert
Fazit der letzten Monate? „Selbst und ständig“, lacht Wurlitzer. „Aber das passt. Ich kenne es nicht anders. Ich kann mich selbst verwirklichen, und wir sind hier ein echtes Team, wie eine große Familie. Es macht einfach Freude“, sagt sie und lässt ihren Blick durch den ehemaligen Gastraum wandern. „Ab Jänner werden wir hier umbauen, die Pläne sind bereits fertig. Der Regionalladen wird erheblich vergrößert. Unser Fokus liegt aber auch weiterhin auf Nachhaltigkeit und Regionalität. Das hat sich mit der Übernahme nicht geändert, ganz im Gegenteil.“
Die „WKNÖ-Teamberatung zur Betriebsnachfolge“ ist ein stark nachgefragtes Serviceangebot. 2024 wurden 142 Beratungen durchgeführt, 2025 bisher 100. Beraten werden Übergeber und Übernehmer, meist Einzelunternehmer, aber auch Personen- und Kapitalgesellschaften. Behandelt werden alle gängigen Übergabeformen wie Schenkung, Verkauf, Verpachtung, Umgründung, Übernahme nach Todesfall oder Aufgabe mangels Nachfolger. Die häufigsten Themen betreffen Steuer-, Sozialversicherungs-, Gesellschafts-, Gewerbe- und Vertragsrecht und sowie Fördermöglichkeiten.
Die Terminvergabe erfolgt über das Büro der Sozialpolitik/Finanzpolitik, wo vorab der Bedarf erhoben und der passende Expertenkreis zusammengestellt wird. Die Beratungen finden in der Zentrale in St. Pölten oder online statt. Bei Bedarf wird auf ergänzende Angebote wie Pensionsberechnungen, Nachfolgebörse oder Förderberatungen verwiesen.
Der besondere Mehrwert liegt in der interdisziplinären Beratung durch mehrere Experten, wodurch rechtliche, steuerliche und soziale Aspekte optimal aufeinander abgestimmt werden können. So entsteht für jede Übergabe eine individuell passende Lösung.
Für die betriebe kostenlos
Die Beratungen sind kostenlos und sparen Geld, weil man alle Experten unter einem Dach hat und die Umsetzung effizienter angehen kann. So können die Unternehmer mit einem Plan zu Steuerberater oder Notar gehen und den Grundstein für eine glückende Übergabe legen.
Terminvereinbarung: Referat Finanzpolitik,
T 02742 851 17401, E finanzpolitik@wknoe.at
Buchhandlung
Während in Perschling eine ältere Dame mit Einkaufstrolley mariniertes Geschnetzeltes und Grammelknödel auf den Verkaufstresen legt, stöbert in der Bücherei Kral am St. Pöltener Domplatz eine Mutter mit ihrem Sohn im Regal mit den Kinderbüchern. Seit Anfang 2025 hat der Betrieb, seit vielen Jahren eine feste Größe im Leben der Stadt, eine neue Führung. „Man kennt sich in der Branche“, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Ivancich und lächelt. „Frau Sandler – die Besitzerin der früheren Buchhandlung Schubert – ist auf meinen Vater zugegangen und hat uns ihre Buchhandlung angeboten.“ Als sie am 1. Jänner 2025 in Pension ging, übernahm die Familie Ivancich nicht nur das Geschäft, sondern gleich das gesamte Team. „Wir hatten davor viele Gespräche über Abläufe, Kundinnen, interne Strukturen. Der Übergang war wirklich gut vorbereitet.“
Ganz reibungslos lief der Start nicht. „Wir haben einige technische Systeme umgestellt – das war fürs Team nicht leicht“, sagt Ivancich. „Aber alle waren extrem fleißig und haben uns großartig unterstützt.“ Auch den später nötigen Standortwechsel habe das Team geschlossen mitgetragen. „Da kann ich nur Danke sagen.“ Die Kundschaft reagierte gelassen. „Anfangs ist es vielen gar nicht aufgefallen – Branding und Personal waren ja gleich. Erst mit dem neuen Standort war klar: Jetzt ist es eine Kral-Buchhandlung.“ Seither läuft es gut. „Wir fühlen uns extrem freundlich aufgenommen.“
Was Kral ausmacht? Ivancich muss nicht lange überlegen: „Regionalität. Jede Filiale bestellt für sich, wir haben keinen Zentraleinkauf.“ Die Zielgruppen seien überall unterschiedlich, das Sortiment daher bewusst individuell. „Natürlich spielt auch unser Kral Verlag eine große Rolle. Und was uns wirklich trägt, ist der Zusammenhalt – innerhalb jeder Filiale und darüber hinaus. Wir sind eine Kral Familie. Und genau so leben wir es.“ In St. Pölten wird der Fokus künftig klar gesetzt: „Belletristik, Sachbuch, Kinderbuch – und ein starkes Segment Kunst und Kultur.“ Dazu ein ausgewählter Non-Book-Bereich und der eigene Verlag. „Wir möchten die Menschen begeistern, nicht einfach nur Bücher verkaufen.“
Das Büchermachen im Blut
Dass die Familie Büchermachen im Blut hat, zeigt sich spätestens beim Blick hinter die Kulissen. „Mein Vater hat mit 26 seine erste Buchhandlung übernommen. Heute sind wir zehn Buchhandlungen, ein Schulshop, der Verlag mit rund 800 lieferbaren Titeln und insgesamt 80 Mitarbeitenden.“ Seit Jänner 2025 führt Elisabeth Ivancich die Geschäfte. „Mein Vater bleibt aber Verlagsleiter – und unser persönlicher Lieferdienst für Schulbücher“, sagt sie und lacht. „Und wir sind wirklich ein Familienunternehmen: Meine Mutter arbeitet in einer Buchhandlung, meine beiden Schwestern im Verlag und in der Buchhaltung, mein Bruder leitet eine Filiale. Alle im Einsatz.“
Neue Ära für Kupfer-Dachl
Szenenwechsel. Vom gedruckten Wort zur gelebten Kulinarik. 120 Kilometer südöstlich von St. Pölten liegt das Restaurant Görg. Der Duft von frisch gebratenem Lamm erfüllt den Gastraum, während Martin Görg mit routinierten Handgriffen Teller anrichtet. Nebenan schwingt sein Bruder Stefan die Pfanne, prüft den Garpunkt, nickt zufrieden. Ein kurzer Blick, ein stilles Einvernehmen – die beiden wissen, was der andere braucht. Teamwork in seiner reinsten Form – und das im doppelten Sinn. Martin besticht durch seine elegante Handschrift beim Anrichten der Gerichte. Stefans Stärke liegt beim Abschmecken – er hat ein unfehlbares Gespür für den perfekten Geschmackspunkt.
„Wir wollten die kulinarische Vielfalt in unserer Region erhalten“, sagt Martin, während er ein Glas Weißwein einschenkt. „Die Arbeit macht uns wahnsinnig viel Spaß – und unsere Eltern haben mit dem Kupfer-Dachl etwas Großartiges aufgebaut. Daran wollten wir weiterarbeiten.“ Seit 2024 tragen die Brüder offiziell die Verantwortung für das, was ihre Familie über Generationen geschaffen hat. Der Weg dorthin war kein Sprung ins kalte Wasser, sondern ein behutsamer Übergang.
„Unser Haus wurde 1968 von unseren Großeltern errichtet“, erzählt Stefan. „Damals war es eine Heurigenpension. 1992 übernahmen unsere Eltern, ein Jahr später eröffneten sie das Kupfer-Dachl. Wir waren immer mit dabei – Teller tragen, Gäste begrüßen, später auch in der Küche.“ 2016 stiegen beide fix in den Betrieb ein. „Wir haben uns die Aufgaben aufgeteilt: Buchhaltung, Marketing, Einkauf – so ist die Verantwortung Schritt für Schritt zu uns gewandert“, sagt Martin. 2024 folgte schließlich die finale Übergabe. Dennoch stehen Gertrud und Karl Görg ihren Söhnen auch weiterhin unterstützend zur Seite: Ob in der Küche, wo Karl immer noch den einen oder anderen Tipp parat hat, oder im Service, wo Gerti mit ihrem Charme und ihrer Erfahrung stets zur Stelle ist.
Brüderlicher Gleichschritt
Und wie ist es, mit dem eigenen Bruder ein Restaurant zu führen? Martin lächelt. „Für mich eine Erleichterung. Stefan ist ein großartiger großer Bruder, auf den ich mich immer verlassen kann. Natürlich streiten wir auch mal – aber wir reden alles aus. Wir haben dieselben Ziele.“
Diese Ziele sind klar definiert – und sie beginnen schon bei der Basis: der Leidenschaft fürs Kochen. Beide sammelten wertvolle Erfahrungen in Spitzenbetrieben. Stefan arbeitete bei den Obauers, im Triad, im Landhaus Bacher und sogar in Deutschland – im Da Vinci und Aubergine in Koblenz. Martin zog es unter anderem ins Steirereck nach Wien, bevor er wieder heimkehrte. „Ich wollte die Eltern unterstützen“, sagt er.
Bevor die Brüder das Restaurant endgültig übernahmen, stand ein umfassender Relaunch an. Der Name Kupfer-Dachl wich dem Familiennamen Görg. „Was passt besser zu einem Familienbetrieb als der eigene Name?“, meint Stefan. Im Zuge dessen wurde auch der Webauftritt erneuert, die Firmenstruktur modernisiert, das Haus parifiziert. „Wir wollten Privatleben und Beruf auch im Grundbuch klar trennen – und die Zukunft solide aufstellen.“
- WKNÖ-Teamberatung zur Betriebsnachfolge
- Umfassende Services über das Gründerservice der WKNÖ von der Erstinformation, über Checklisten, bis hin zu Nachfolge-Leitfäden
- individuelle rechtliche Erstberatung durch die WKNÖ Bezirks- und Außenstellen
- geförderte Unternehmensberatung durch externe Berater
Online- und Netzwerkangebote:
- Online-Nachfolgebörse mit über 1.000 aktiven Inseraten
- Rund 400 individuelle Nachfolgeberatungen pro Jahr in ganz NÖ
- Veranstaltungsreihe „Nachfolge+“
- JW-Nachfolgekampagne „Nachfolge braucht Strategie“
- Forum Betriebsnachfolge mit Speed-Dating-Format für direkte Kontakte zwischen Übergebenden und Übernehmenden
Initiativen zur Nachwuchsförderung:
- Förderung junger Menschen zur Selbstständigkeit über Unternehmensübernahme
- Einrichtung eines „Nachfolgerats“
- Einführung von Lehrgängen zur Unternehmensnachfolge an Hochschulen (Diese Initiativen sind zum Teil noch in Planung.)
Nachhaltiger Genuss
Doch die Görgs denken weiter. Ihre Vision? „Wir möchten mit Genuss eine bessere Welt erschaffen“, sagt Martin mit Überzeugung. „Kochen, um zu begeistern. Service mit Herz und Leidenschaft. Arbeiten heute für morgen – das ist unser Leitsatz.“ Im Restaurant Görg spürt man das: die Ruhe, das Miteinander, die Liebe zum Detail. Regionale Produkte, kreative Ideen, eine entspannte Atmosphäre. „Bei uns sollen die Gäste abschalten und genießen – und spüren, dass hier mit Herz gearbeitet wird.“
Unterstützung erhielten die Brüder auch von der Wirtschaftskammer Niederösterreich. „Die WK hat uns mit Beratungen, Fördersprechtagen und rechtlichen Informationen sehr geholfen“, erzählt Stefan. „Besonders wertvoll waren der objektive Blick von außen – und die Markenrecherche, ob wir unseren Familiennamen überhaupt verwenden dürfen.“
Was raten die beiden jenen, die selbst einen Betrieb übernehmen wollen? Martin überlegt kurz. „Immer eins nach dem anderen. Nicht zu viele Schritte gleichzeitig. Ein Ziel haben, das man gemeinsam verfolgt. Der Weg darf sich ändern – Hauptsache, man bleibt in Bewegung.“
www.rudolfwurlitzer.com
www.kral-buch.at/kralstpoelten
www.restaurant-goerg.at
- eine Erhöhung des Freibetrags bei Veräußerungsgewinnen von 7.300 auf 45.000 Euro,
- die Einführung eines Sondersteuersatzes von 20 Prozent für Veräußerungsgewinne,
- eine leichtere Anwendbarkeit und Kombinierbarkeit steuerlicher Begünstigungen,
- sowie bessere Finanzierungsinstrumente – etwa Beteiligungsfonds und angepasste Förderprogramme, um jungen Nachfolger:innen den Einstieg zu erleichtern.