Person mit Brille scannt Kartonagen in einem Lagerraum, daneben stehen ein Laptop sowie ein Notizbuch mit einem Stift und Verpackungsmaterialien, im Hintergrund stehen Regale mit Kartonagen
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Reihengeschäfte in der Umsatzsteuer

Infos und Beispiele zur richtigen umsatzsteuerlichen Beurteilung

Lesedauer: 9 Minuten

Was versteht man unter einem Reihengeschäft?

Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn dieselben Gegenstände nacheinander geliefert werden und diese Gegenstände unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Abnehmer (Empfänger) in der Reihe versandt oder befördert werden.

Für die richtige umsatzsteuerliche Beurteilung von Reihengeschäften ist zu beachten:

  • Die Umsätze finden (gedanklich) zeitlich hintereinander statt
  • Der Lieferort jedes Umsatzes muss separat bestimmt werden 

Bei einem Reihengeschäft wird der Gegenstand tatsächlich nur einmal bewegt. Deshalb wird auch nur ein Umsatz in der Reihe als so genannte „bewegte Lieferung“ bezeichnet. Die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung oder eine Ausfuhrlieferung kann nur der „bewegten Lieferung“ zugeordnet werden. Die Lieferungen davor und danach können nur „ruhend“ sein.

Das Umsatzsteuergesetz enthält seit dem 1.1.2020 keine gesonderten Vorschriften über das Reihengeschäft.

Die Bestimmung des Lieferortes

Die Bestimmung des Lieferortes ist wesentlich, um zu beurteilen wo der einzelne Umsatz umsatzsteuerbar ist. Ist eine Lieferung in Österreich umsatzsteuerbar (weil der Lieferort in Österreich liegt), hat dies zur Konsequenz, dass das österreichische Umsatzsteuerrecht anzuwenden ist.

Ist eine Lieferung in Österreich nicht steuerbar, so ist das österreichische Umsatzsteuerrecht nicht anzuwenden und es fällt somit keine österreichische Umsatzsteuer an. Die Rechtsvorschriften des anderen Staates (wo der Ort der Lieferung liegt) sind jedoch zu beachten.

Achtung: Der Bestimmung des Lieferortes kommt gerade bei Reihengeschäften über die österreichische Grenze wesentliche Bedeutung zu. 

Die „bewegte Lieferung“ wird folgender Lieferung zugeordnet:


der Lieferung durch den ersten Lieferer in der Reihe, wenn er die Gegenstände befördert oder versendet

DE ===> AT1 ===> AT2

DE führt den Transport durch

DE – AT1 bewegte Lieferung

AT1 – AT2 ruhende Lieferung


Seit 1.1.2020 - der Lieferung durch den Zwischenhändler (Zwischenhändler ist ein Lieferer innerhalb der Reihe - mit Ausnahme des ersten Lieferers -, der die Gegenstände versendet oder befördert) an seinen Erwerber, wenn er seinem Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat, die ihm vom Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände versandt oder befördert werden, erteilt wurde;

AT1 ===> AT2 (AT UID) ===> DE

AT2 führt den Transport durch

AT1 – AT2 ruhende Lieferung

AT2 – DE bewegte Lieferung


der Lieferung an den Zwischenhändler, wenn nicht der oben genannte Fall vorliegt;

AT1 ===> AT2 (DE UID) ===> DE

AT2 führt den Transport durch

AT1 – AT2 bewegte Lieferung

AT2 – DE ruhende Lieferung


der Lieferung an den letzten Abnehmer, wenn er die Gegenstände befördert oder Versendet.

DE ===> AT1 ===> AT2

AT2 führt den Transport durch

DE – AT1 ruhende Lieferung

AT1 – AT2 bewegte Lieferung


Der Lieferort der „ruhende Lieferung“ wird wie folgt geregelt: 

  • Lieferungen in der Reihe vor der „bewegten Lieferung“ gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.
  • Lieferungen in der Reihe nach der „bewegten Lieferung“ gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.

Beförderungs- oder Versendungslieferung aus dem Drittlandsgebiet

Der Lieferort verlagert sich unter folgenden Voraussetzungen in das Inland (Lieferort = Österreich):

  • es handelt sich um eine Beförderung- oder Versendungslieferung
  • der Gegenstand gelangt vom Drittland nach Österreich
  • der Lieferer ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (Lieferkondition „verzollt und versteuert“)

Fallbeispiele zu Reihengeschäften im Binnenmarkt


Beispiel

Der französische Unternehmer FR1 bestellt beim französischen Unternehmer FR2 Ware. Dieser hat die Ware nicht lagernd und bestellt sie beim österreichischen Unternehmer AT. AT beauftragt einen Spediteur die Ware direkt zu FR1 nach Frankreich zu befördern. FR2 gibt seine französische UID-Nummer bekannt.

Warenweg: AT ===> FR1
Rechnungsweg: AT => FR2 => FR1


Obwohl der österreichische Unternehmer AT die Ware faktisch zu FR1 versendet, ist AT im vorliegenden Reihengeschäft rechtlich nur mit FR2 verbunden.

Lieferung des AT an FR2:
Dies ist die bewegte Lieferung, weil sie die erste Lieferung in der Umsatzkette ist, bei der einer der Vertragspartner, nämlich AT, die Beförderung beauftragt. Lieferort ist Österreich, da die Ware in Österreich an den Spediteur übergeben wird (Beginn der Versendung). Somit ist der Umsatz in Österreich steuerbar, aber als innergemeinschaftliche Lieferung von der Umsatzsteuer befreit. FR2 hat in Frankreich einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern.

Lieferung des FR2 an FR1:
Da es im Reihengeschäft nur eine bewegte Lieferung gibt, muss die Lieferung des FR2 an FR1 die ruhende Lieferung sein. Lieferort ist Frankreich, da die Lieferung sich nach der „bewegten Lieferung“ befindet und somit am Ende der Versendung oder Beförderung befindet. Die Lieferung ist in Österreich nicht steuerbar. 


Variante 1:
Die Ware wird von FR2 bei AT abgeholt und zu FR1 befördert.


An der obigen Lösung tritt keine Änderung ein. 

Begründung:
In der Lieferung von AT an FR2 führt einer der Vertragspartner, nämlich FR2, die Beförderung durch. Die bewegte Lieferung ist daher mit diesem Umsatz konsumiert. Die nachfolgende Lieferung von FR2 an FR1 kann nur noch die ruhende sein.


Variante 2:
Die Ware wird von FR1 bei AT abgeholt.


Lieferung des AT an FR2:
Da keiner der Vertragspartner die Beförderung durchführt oder beauftragt, ist dies die ruhende Lieferung. Der Lieferort des Umsatzes von AT an FR2 liegt in Österreich, da diese Lieferung sich vor der „bewegten Lieferung“ befindet und demnach am Beginn der Beförderung oder Versendung. Die Rechnung des AT an FR2 ist somit mit österreichischer Umsatzsteuer auszustellen.  

Lieferung des FR2 an FR1:
Dies ist die bewegte Lieferung. Der Lieferort für den Umsatz des FR2 an FR1 liegt in Österreich, da hier die Beförderung oder Versendung beginnt. FR2 führt somit in Österreich eine umsatzsteuerbare Lieferung aus, kann diese jedoch als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei belassen. Er muss sich beim Finanzamt Graz-Stadt registrieren lassen und kann die ihm von AT in Rechnung gestellte Vorsteuer zurückholen.

Fallbeispiele zu Reihengeschäften im Binnenmarkt (ab 1.1.2020)


Beispiel

Der französische Unternehmer FR bestellt beim österreichischen Unternehmer AT2 Ware. Dieser hat die Ware nicht lagernd und bestellt sie beim österreichischen Unternehmer AT1. AT2 beauftragt einen Spediteur die Ware direkt zu FR nach Frankreich zu befördern. AT2 gibt seine österreichische UID-Nummer bekannt.

Warenweg: AT1 ===> FR
Rechnungsweg: AT1 => AT2 => FR


Lieferung des AT1an AT2:
Da AT2 (Zwischenhändler) den Transport organisiert und mit seiner österreichischen UID-Nummer aufscheint, ist nicht die Lieferung an ihn, sondern die Lieferung von ihm an den Empfänger als bewegte Lieferung anzusehen. In diesem Fall ist die Lieferung des AT1 an den AT2 die ruhende Lieferung. Diese befindet sich vor der „bewegten Lieferung“ und demnach liegt der Lieferort des Umsatzes von AT1 an AT2 in Österreich nämlich am Beginn der Beförderung oder Versendung. Die Rechnung des AT1 an AT2 ist somit mit österreichischer Umsatzsteuer auszustellen.  

Lieferung des AT2 an FR:
Dies ist die bewegte Lieferung. Der Lieferort für den Umsatz des AT2 an FR liegt in Österreich, da hier die Beförderung oder Versendung beginnt. AT2 führt somit in Österreich eine umsatzsteuerbare Lieferung aus, kann diese jedoch als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei belassen. Der FR hat einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Frankreich.

Beispiele zu Reihengeschäften mit Drittlandsbezug


Beispiel 1


Der Wiener Unternehmer AT1 bestellt bei seinem Salzburger Lieferanten AT2 Ware. Dieser hat die Ware nicht lagernd und bestellt sie beim Unternehmer CH in der Schweiz. CH befördert die Ware direkt zu AT1 nach Wien.Die Lieferkondition lautet: unverzollt und unversteuert, AT1 nimmt die Abfertigung zum freien Verkehr vor.

Warenweg: CH ===> AT
Rechnungsweg: CH => AT2 => AT1 


Lieferung des CH an AT2 (= bewegte Lieferung):
Die Lieferung des CH an AT2 ist deshalb die bewegte Lieferung, weil sie die erste Lieferung in der Umsatzkette ist, bei der einer der Vertragspartner die Beförderung durchführt. Lieferort ist die Schweiz, da CH die Beförderung durchführt und die Beförderung in der Schweiz beginnt. Somit ist der Umsatz in Österreich nicht steuerbar. Für diesen Umsatz sind die umsatzsteuerlichen Vorschriften in der Schweiz zu beachten.

Lieferung des AT2 an AT1 (= ruhende Lieferung):
die Lieferung des AT1 an den AT2 ist die ruhende Lieferung. Diese befindet sich nach der „bewegten Lieferung“ und demnach liegt der Lieferort des Umsatzes von AT1 an AT2 in Österreich nämlich am Ende der Beförderung oder Versendung. Die Rechnung des AT1 an AT2 ist somit mit österreichischer Umsatzsteuer auszustellen.  

Abzug der Einfuhrumsatzsteuer:
Die Einfuhrumsatzsteuer abziehen und das Verfahren der „EUSt neu“ in Anspruch nehmen, (vgl. dazu Infoseite zur Einfuhrumsatzsteuer) kann in der Regel nur jener Unternehmer, der beim Grenzübertritt die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über die Ware hat. Dies ist in unserem Fall AT2. 

Aufgrund der Lieferkondition schuldet jedoch AT1 die Einfuhrumsatzsteuer. Er muss die   EUSt entrichten, AT2 kann sich diese als Vorsteuer abziehen, wenn er von AT1 die Zahlungsbelege erhält.


Beispiel 2


Der Salzburger Unternehmer AT1 bestellt bei seinem Lieferanten AT2 Ware. Dieser hat die Ware nicht lagernd und bestellt sie beim Unternehmer CH in der Schweiz. CH befördert die Ware direkt zu AT1 nach Salzburg. CH liefert „verzollt und versteuert“. 

Warenweg: CH ===> AT
Rechnungsweg: CH => AT2 => AT1 


Lieferung des CH an AT2 (= bewegte Lieferung):
Diese Lieferung ist die zwar die bewegte Lieferung. Da CH als Lieferer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist (Lieferkondition „verzollt und versteuert“), kommt jedoch die Sonderregelung zur Anwendung. Dadurch verlagert sich der Lieferort nach Österreich. Die Lieferung ist in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. CH muss sich beim Finanzamt Graz-Stadt umsatzsteuerlich registrieren lassen. Wenn der Schweizer Unternehmer in Österreich weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebstätte hat, muss AT2 die Umsatzsteuer für ihn einbehalten und in seinem Namen und auf seine Rechnung an das Finanzamt Graz-Stadt abführen.

Lieferung des AT2 an AT1 (= ruhende Lieferung):
Lieferort ist Österreich, da sich die Lieferung nach der „bewegten Lieferung“ befindet. Die Lieferung ist in Österreich (am Ende der Beförderung und Versendung) steuerbar und steuerpflichtig. 

Abzug der Einfuhrumsatzsteuer:
Da CH beim Grenzübertritt die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über die Ware hat, kann er sich die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Das Verfahren über die „Einfuhrumsatzsteuer neu“ (siehe Infoseite zur Einfuhrumsatzsteuer) kann angewendet werden.


Beispiel 3


Der Wiener Unternehmer AT bestellt bei seinem Schweizer Lieferanten CH1 Ware. Dieser hat die Ware nicht lagernd und bestellt sie beim Unternehmer CH2 in der Schweiz. CH2 befördert die Ware direkt zu AT nach Wien. CH2 und CH1 liefern „unverzollt und unversteuert“. 

Warenweg: CH2 ===> AT
Rechnungsweg: CH2 => CH1 => AT


Lieferung des CH2 an CH1 (= bewegte Lieferung):
Lieferort ist die Schweiz, da CH2 die Beförderung durchführt und die Beförderung in der Schweiz beginnt. Somit ist der Umsatz in Österreich nicht steuerbar. Für diesen Umsatz sind die umsatzsteuerlichen Vorschriften in der Schweiz zu beachten.

Lieferung des CH1 an AT (=ruhende Lieferung):
Lieferort ist Österreich, da die Lieferung sich nach der „bewegten Lieferung“ befindet. Die Lieferung ist in Österreich steuerbar. CH1 ist jedoch berechtigt die Lieferung steuerfrei abzurechnen, wenn CH1 in Österreich weder einen (Wohn)Sitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte hat und in Österreich nicht zur Umsatzsteuer erfasst ist und CH1 über diese Lieferung keine Rechnung ausstellt, in der die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist (=Nullregelung). 

Abzug der Einfuhrumsatzsteuer:
Da sowohl CH2 als auch CH1 unverzollt und unversteuert liefern, schuldet AT die Einfuhrumsatzsteuer. Obwohl AT beim Grenzübertritt die umsatzsteuerliche    Verfügungsmacht über die Ware nicht hatte (im Beispiel führt CH2 die Ware für CH1 ein), ist AT ausnahmsweise auf Grund einer Verordnung berechtigt, die         Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, wenn sein Lieferant (im Beispiel CH1) die Nullregelung anwendet. Das Verfahren über die „Einfuhrumsatzsteuer-Neu“ kann von AT angewendet werden.

Stand: 01.03.2023

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