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Das Cargo Center Graz
© CCG

Wiege für die heimischen Exporterfolge

Vor 20 Jahren wurde das Internationalisierungscenter Steiermark (ICS) gegründet. Seit damals hat sich das Exportvolumen steirischer Betriebe verdoppelt.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 25.09.2025

In Rom stirbt Papst Johannes Paul II., in London heiratet Prinz Charles Camilla Parker Bowles, in den von George W. Bush regierten USA verwüstet Hurrikan Katrina New Orleans, in Deutschland löst nach vorgezogenen Wahlen Angela Merkel Gerhard Schröder im Kanzleramt ab. In Österreich gründet Jörg Haider das BZÖ, das umgehend zur Regierungspartei einer von VP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel geführten Koalition wird. In der Steiermark verliert die ÖVP die Landtagswahlen und damit erstmals seit 60 Jahren den Landeshauptmann.

Als ereignislos lässt sich die Kulisse also nicht beschreiben, in der im Jahr 2005 in Graz vom Land, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung das Internationalisierungscenter Steiermark (ICS) gegründet wurde. Als Zielvorgabe galt, mehr steirische Unternehmen zum Schritt auf die Weltmärkte zu motivieren und für diese Betriebe eine zentrale Ansprech- und Servicestelle für ihre Exportgeschäfte zu schaffen. 

An diesem Gründungsauftrag hat sich auch zwei Jahrzehnte später nichts geändert. An der Kulisse sehr wohl. „Die Welt ist im Umbruch“, analysiert ICS-Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Roth anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums mit Verweis auf Kriege, Zollkonflikte, Debatten um Freihandelszonen sowie hohe Energiekosten und wuchernde Bürokratie: „Das alles macht es für Europa, Österreich und die Steiermark nicht leichter, wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Das ICS biete in dieser komplexen Gemengelage einen „One-Stop-Shop“ für export­orientierte Unternehmen.

Im engen Zusammenspiel mit den Clusterorganisationen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen des Landes und nationalen wie internationalen Kontaktnetzwerken konnte so im Laufe der Jahre ein in Österreich singuläres Erfolgsmodell initiiert werden.

Die damit verbundene Bedeutung der knapp 9.000 Exportunternehmen für den Standort ist augenscheinlich: Jeder zweite in der Steiermark erwirtschaftete Euro – und damit Arbeitsplatz – ist mittlerweile vom Export abhängig. Die Geschäfte im Ausland sichern Arbeitsplätze im Inland und generieren hier Wertschöpfung und Wohlstandseffekte. 

Die Bilanz fällt entsprechend positiv aus. So hat sich das Exportvolumen der Steiermark seit dem ICS-Gründungsjahr von damals 13,2 Milliarden auf zuletzt 28,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Die Handelsbilanzüberschüsse konnten in dieser Zeit von 4,7 Milliarden auf 7,3 Milliarden Euro ausgebaut werden. Just im aktuellen Wert schlummert aber auch der Keim der systemimmanenten Herausforderungen, denn drei Milliarden Euro entfielen zuletzt allein auf die Handelsbeziehungen mit den USA. 

Die ICS-Spitze Hartleb (ICS, li.) und Guss (2.v.re.)  mit Gratulanten WKO-Präsident Herk, Landesrat Ehrenhöfer, IV-Vize Marchler
© ICS/Fischer Die ICS-Spitze Hartleb (ICS, li.) und Guss (2.v.re.) mit Gratulanten WKO-Präsident Herk, Landesrat Ehrenhöfer, IV-Vize Marchler

„Umso bedeutender ist es, die aktuellen Entwicklungen zu be­obachten und klassische Internationalisierungsmuster permament zu überprüfen“, mahnt ICS-Geschäftsführer Karl Hartleb. Als Potenzialmärkte hat er die in den vergangenen Jahren etwas aus dem Fokus gerückten Staaten am Westbalkan ausgemacht. Zudem wurden zuletzt Schwerpunktprogramme mit dem Vietnam, Japan und Indien lanciert. Der ICS-Chef hat mittelfristig aber auch das von heimischen Unternehmen noch relativ „unbeackerte“ Afrika im Visier. Für ihn hat die Diversifikation der Exportstruktur in regionaler und sektorialer Hinsicht nicht nur im Hinblick auf Fachkräfterekrutierung oberste Priorität.

Umso bedeutender ist es, die aktuellen Entwicklungen zu be­obachten und klassische Internationalisierungsmuster permament zu überprüfen.

Gegen Abschottung 

Kein Verständnis für aktuelle Bestemmhaltungen gegen Freihandelsabkommen zeigen daher Unternehmensvertreter. „Offenheit ist ein Gebot der Stunde, wir brauchen eine bessere Willkommenskultur“, unterstreicht Alfred Marchler, selbst Geschäftsführer eines exportstarken Unternehmens (Zeta) und Vizepräsident der Industriellenvereinigung. „Eine Politik, die auf Panikmache und Abschottung setzt, ist der falsche Weg“, drängt WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk auf offensives Selbstbewusstsein beim Auftreten auf den globalen Märkten.  

Offenheit ist ein Gebot der Stunde, wir brauchen eine bessere Willkommenskultur.

Steirische Betriebe auf der Weltbühne


Die diesjährigen Exportpreis-Sieger reüssieren mit weltweit gefragtem Technologie-Know-how. 

Vom Anbieter von Bauteilen für die Raum- und Luftfahrt über einen Entwickler hochpräziser Messtechnologien und Datenerfassungssysteme bis zum Produzenten von Maschinen für den Bergbau spannt sich das unternehmerische Tun der dieser Tage gekürten steirischen Exportpreis-Sieger 2025.

Was sie eint: eine Exportquote von weit über 90 Prozent. Sowohl HTSolutions – Gewinner der Kategorie Kleinunternehmen – als auch Dewetron (siegreich in der Kategorie mittlere Unternehmen) sowie Sandvik Mining and Construction – der Österreich-Zweig des schwedischen Konzerns wurde in der Kategorie Großunternehmen ausgezeichnet – sind damit Bestandteil einer wesentlichen Stütze des Wirtschaftsstandorts (siehe Artikel oben). Das Trio steht aber auch für die Transformation Richtung Digitalisierung in den vergangenen Jahren. 

So war HTSolutions-Gründer Andreas Inselsbacher (Foto unten) 2010 als Einzelunternehmer mit Fokus auf CNC-Schulungen und die Optimierung von Werkzeugmaschinen gestartet. Heute hat sich das auf 47 Beschäftigte angewachsene Unternehmen als Experte für hochkomplexe Zerspanungsanforderungen im Hochtechnologiesegment etabliert und beliefert weltweit Kunden aus dem Motorsport – unter anderem sämtliche Formel 1-Teams – sowie der Luft- und Raumfahrt.

Exportpreissieger Kleinunternehmen HTSolutions GmbH: Andreas Inselsbacher
© ICS/Prattes Studio Exportpreissieger Kleinunternehmen HTSolutions GmbH: Andreas Inselsbacher

Auch Dewetron aus Grambach (Foto unten), 1989 als Anbieter von PC-Komponenten und Messgeräten gegründet, hat eine ähnliche Expansions- und Erfolgsgeschichte hinter sich. Heute gilt das  Unternehmen mit insgesamt 150 Beschäftigten (zwei Drittel davon in Grambach) und Standorten in Deutschland, den USA, Indien und China als weltweit anerkannter Hersteller von hochpräzisen Datenerfassungssystemen und der dazu passenden Messsoftware. Zum Einsatz kommen die Geräte unter anderem in der Wissenschaft.

Exportpreissieger Mittleres Unternehmen DEWETRON GmbH: Roland Sonnleitner, Verena Dielacher-Kabas und Raimund Trummer
© ICS/Prattes Studio Exportpreissieger Mittleres Unternehmen DEWETRON GmbH: Roland Sonnleitner, Verena Dielacher-Kabas und Raimund Trummer

In Zeltweg schreibt der internationale Konzern Sandvik die örtliche, mehr als 170 Jahre alte Tradition in der Entwicklung und Produktion von Bergbau-Maschinen fort. Knapp über 600 Mitarbeiter entwickeln hier Vortriebs- und Gewinnungsmaschinen für Abbauarbeiten in Mineral- und Erzlagerstätten beziehungsweise im Tunnelbau. Die Exportquote liegt bei 99 Prozent.

Exportpreissieger Großunternehmen Sandvik Mining and Construction: Günter Sauermoser, Eva Klambauer, Gernot Liebminge und Stefan Dötsch<br />
© ICS/Prattes Studio Exportpreissieger Großunternehmen Sandvik Mining and Construction: Günter Sauermoser, Eva Klambauer, Gernot Liebminge und Stefan Dötsch