Energie West: Die regionale Kraft-Schmiede
Um den Herausforderungen und Umwälzungen auf dem Energiemarkt gemeinsam – und dadurch stärker und auch cleverer – zu begegnen, wurde 1999 die Energie West gegründet. Der Partner der 21 regionalen Energieversorgungsunternehmen (EVU) hat sich längst zu einer dynamischem Effizienz- und Know-how-Schmiede gemausert. Projekte, wie etwa das Wasserkraftwerk Stanzertal oder die Power-to-Heat-Anlagen in Hall und Wörgl können durchaus als Leuchttürme für durchdachte, effiziente und bürgernahen Prozesse strahlen. Und sie zeigen auch, welche Kraft in gemeindeübergreifenden Kooperationen steckt.
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Die Tiroler Energielandschaft ist äußerst bunt“, lässt Stefan Garbislander, Tiroler Standortanwalt und Leiter der WK TirolAbteilung Wirtschaftspolitik, Innovation und Nachhaltigkeit, seinen kundigen Blick weit übers Land und tief in die Tiroler Steckdosen streifen, die mit Energie aus den unterschiedlichsten Quellen versorgt werden. „Wir haben eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Energieversorger, die beispielsweise im Rahmen der Energie West sehr eng
miteinander kooperieren“, führt Garbislander weiter aus – und hält fest: „Der Vorteil der kleineren Versorger ist sicher die Nähe zu ihren Kundinnen und Kunden und die starke Verwurzelung in der jeweiligen Region.“
Stark verwurzelt. Genau das sind all die Elektrizitätswerke, Netzbetreiber, Stadtwerke, Kommunalbetriebe, Gemeindewerke oder Genossenschaften, die sich vor Ort um die sichere Versorgung der Bürger:innen – meist in zahlreichen Daseins- oder Infrastrukturbelangen und eben auch in punkto Energie kümmern. Am Beispiel der Mitglieder der von Standortanwalt Garbislander genannten Energie West Management und Service GmbH lässt sich ziemlich gut aufzeigen, was in den kleinen und mittleren Tiroler Energieversorgungsunternehmen (EVU) steckt.
Rund 110.000 Tiroler Haushalte und Unternehmen, also mehr als ein Viertel aller Stromkundinnen und Stromkunden, werden von den Mitgliedern der Energie West versorgt. Das gemeinsame Abgabevolumen beträgt jährlich rund 1.100 Gigawattstunden (GWh), davon stammen mehr als 600 GWh aus heimischer Wasserkraft.
Richtungsweisend und erfolgreich
In der Energie West sind vergleichsweise große Daseinsvorsorge-Kapazunder, wie das Elektrizitätswerk Reutte, die HALLAG oder die „Werke“ der Städte Kufstein, Schwaz, Kitzbühel, Wörgl und Imst genauso vertreten, wie die Elektrowerksgenossenschaft Hopfgarten in Defereggen, das Elektrizitätswerk der Gemeinde Schattwald oder die in Weerberg ansässige Elektrizitätswerk Winkler GmbH. 21 Mitglieder sind es insgesamt und dass sie sich auf kluge Weise zusammengeschlossen haben, ohne ihre regionale Eigenständigkeit aufzugeben, hatte einen guten Grund. „Die Idee zur Gründung der Energie West entstand im Zuge der Strommarktliberalisierung in Österreich. Diese gesetzliche Veränderung brachte tiefgreifende Umwälzungen für die heimischen Energieversorgungsunternehmen mit sich. Unter vielen dieser regional tätigen Unternehmen herrschte damals Unsicherheit darüber, ob und wie sie in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Markt bestehen könnten“, blickt Artur Egger, Vorstand der Hall AG Kommunal GmbH, zurück ins Jahr 1999, in dem die bis dato so überraschungsresistente Basis der kleinen EVU ins Wanken geraten war.
„Mehrere EVU erkannten frühzeitig, dass sie gemeinsam stärker auftreten und Synergien besser nutzen könnten. So entstand die Idee, sich in Form einer Dienstleistungs- und Einkaufsgemeinschaft zusammenzuschließen“, erzählt Artur Egger, der wie Sebastian Freier (Elektrizitätswerk Reutte AG) und Thomas Huber (Stadtwerke Imst) Energie West-Geschäftsführer aus dem Kreis der Gesellschafter und – wie Sie im Interview nachlesen können – von der Wirkkraft des Bündnisses nicht nur überzeugt, sondern begeistert ist.
Im Interview mit der Tiroler Wirtschaft verrät Hall AG-Vorstand und Energie West-Geschäftsführer Artur Egger die Erfolgsrezepte der energiegeladenen Gemeinschaft.
Was ist das Kernanliegen, das die Energie West-Mitglieder zusammen schweißt?
Artur Egger: Was die Mitglieder besonders eint, ist ein gemeinsames Mindset: Bürgernähe, Kommunikation auf Augenhöhe und das klare Bekenntnis zur regionalen Grundversorgung. Alle Partnerunternehmen verstehen sich als zuverlässige Dienstleister für ihre jeweilige Region: nah am Kunden, lösungsorientiert und persönlich ansprechbar. Ein weiterer wichtiger
Aspekt ist der kontinuierliche Erfahrungsaustausch. In Arbeitsgruppen werden Wissen, Best Practices und neue Ideen geteilt, im Sinne eines lebendigen Netzwerks, das den kollektiven Fortschritt fördert. Zusätzlich setzen die Mitglieder auf einheitliche Prozesse und abgestimmte Softwaresysteme, was nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch die Zusammen
arbeit vereinfacht.
Eine Besonderheit von Energie West ist, dass die regionalen Eigenständigkeiten der Mitglieder bestehen bleiben. Ist diese Besonderheit entscheidend für den Erfolg?
Artur Egger: Ja, genau diese regionale Eigenständigkeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Durch die regionale Verankerung bleiben Entscheidungen nah am Kunden und individuelle Bedürfnisse können direkt berücksichtigt werden. Investitionen fließen in die jeweilige Gemeinde oder Region zurück und stärken so die lokale Wirtschaft und Infrastruktur. Das schafft Vertrauen und unterstreicht den nachhaltigen Anspruch der Energie West-Mitglieder. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit effizient organisiert. Die zentrale Mannschaft der Energie West ist schlank aufgestellt und arbeitet kosteneffizient, ohne dabei die Eigenheiten der einzelnen Partner zu beeinträchtigen.
Der Energiewende-Weg ist gepflastertvon immer wieder neuen technischen Errungenschaften und der Eröffnung neuer Möglichkeiten. Arbeiten die Mitglieder auch in diesem innovativen – und sehr spannenden – Zusammenhang zusammen?
Artur Egger: Die Energie West-Mitglieder begegnen diesen Entwicklungen mit gebündeltem Know-how und offener Lernkultur. Was einer ausprobiert und erfolgreich umsetzt, wird offen mit den anderen geteilt. So profitieren alle vom Wissen und den Erfahrungen der Einzelnen. Arbeits- und Projektgruppen spielen dabei eine zentrale Rolle. Hier tauschen sich Fachleute regelmäßig aus, diskutieren neue Technologien, entwickeln ösungen und begleiten deren Umsetzung in der Praxis.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik und den Bürger:innen vor Ort?
Artur Egger: Die Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik und den Bürger:innen vor Ort ist von zentraler Bedeutung. Sie ist nicht nur Teil des Selbstverständnisses, sondern auch ein entscheidender Erfolgsfaktor für die tägliche Arbeit und die langfristige Entwicklung. Die Unternehmen sind in ihren jeweiligen Gemeinden und Regionen fest verwurzelt, das schafft eine besondere Form der Verantwortung und Verpflichtung gegenüber den Menschen vor Ort.
Effizient und elegant
Diese Begeisterung kommt nicht von ungefähr, gelingt es den Mitgliedern doch immer wieder elegant auch große Hürden gemeinsam zu nehmen. Dazu zählen etwa IT-Systeme für Marktkommunikation, Vertrags- und Abrechnungsmanagement, Smart-Metering-Support und Zählerdatenverwaltung oder die Beratung bei Kraftwerksentwicklung und technischen Infrastrukturprojekten.
Dazu zählen aber auch die außergewöhnlichen Power-to-Heat-Anlagen, die 2023 in Hall und kürzlich in Wörgl in Betrieb genommen wurden. Sie wandeln überschüssigen Ökostrom in thermische Energie um und befeuern die städtischen Wärmenetze. Ein innovatives 1.127 kWp-Photovoltaikprojekt, das auch dadurch auffällt, dass Privatpersonen und Unternehmen sich über ein Bürgerbeteiligungsmodell an der Energiewende beteiligen können, wird gerade von den Stadtwerken Kufstein errichtet. Und als absolutes Vorzeigeprojekt bürgernaher Energiepolitik gilt bis heute das Wasserkraftwerk Stanzertal, das seit zehn Jahren das Gefälle der Rosanna nutzt und jährlich rund 52 Millionen Kilowattstunden erzeugt – genug für über 14.000 Haushalte.
„Projekte der Energiewende lassen sich in diesem kleineren Rahmen zumeist leichter umsetzen. Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern ist eine engere und intensivere und es ist auch leichter, der Bevölkerung einen Vorteil, beispielsweise in Form eines günstigeren Energiepreises, zu bieten“, ist auch Standortanwalt Garbislander von der Kraft der Kleinen überzeugt, „Ich denke weiters, dass neben der Wasserkraft und neben der Photovoltaik auch die Windkraft in Tirol eine Chance bekommen soll. Wenn die Bürgerinnen und Bürger hier einen konkreten Vorteil erhalten – beispielsweise in Form eines günstigeren Strompreises – wird es auch gelingen, solche Projekte in Tirol umzusetzen. Aus unseren Befragungen wissen wir, dass 69 % der Tirolerinnen und Tiroler dem Thema Windkraft grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Darauf lässt sich aufbauen!“