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Handelsabkommen EU-Mercosur
© John Kehly - stock.adobe.com

Europa muss wirtschaftlich wieder liefern

Die EU hat viele Stärken, nutzt sie aber in vielen Fällen immer weniger. Europa braucht unternehmerische Freiheit und verlässliche Partner, ist WK-Präsidentin Barbara Thaler überzeugt.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 10.09.2025

Die Weltlage ist herausfordernd wie lange nicht. Geopolitische Spannungen, wachsender Protektionismus und eine zunehmende Hinwendung zur Selbstabsicherung – all das zwingt Europa, sich neu zu positionieren. Vor allem wirtschaftlich. Das schwierige Umfeld schlägt sich auch in der österreichischen Handelsbilanz nieder: Laut Statistik Austria sind die österreichischen Exporte gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % zurückgegangen.

Deshalb erwartet sich WK-Präsidentin Barbara Thaler klare Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa. „Europa hat die jüngere Vergangenheit zu sehr nach innen gewandt verbracht und sich dabei vielfach verzettelt. Der Green Deal war ambitioniert, in seinen Zielen durchaus richtig, aber unausgewogen. Es gab viel ‚Green‘, aber wenig ‚Deal‘ – mit der Folge, dass die europäische Wirtschaft immer stärker unter Druck geraten ist“, erklärt Barbara Thaler. Für sie steht fest, dass sich Europa nicht nur über Klimaziele definieren darf, es muss sich auch wirtschaftlich behaupten können: „Der Klimaschutz ist wichtig und muss ernst genommen werden. Aber die Lösung liegt hier sicher nicht in CO2-Excel-Sheets, sondern in Investitionen, Innovationen und einem wettbewerbsfähigen Standort.“

Notwendiger Kurswechsel

Immerhin wurde zuletzt gegensteuert. Nicht zuletzt aufgrund des im vergangenen September veröffentlichten Berichts des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit ist in Brüssel ist inzwischen angekommen, dass eine wirtschaftlich entkräftete EU nicht handlungsfähig bleibt und auch politisch an Einfluss verliert. Eine Korrektur ist spürbar, etwa durch die wirtschaftlichere Ausrichtung zentraler Vorhaben wie des Net-Zero Industry Acts oder den „Omnibus“ zur Entbürokratisierung. Jetzt aber zählt die Umsetzung. „Zum Glück gibt es nun eine Korrektur in Richtung mehr Wirtschaft. Dieser Weg muss entschlossen fortgesetzt werden“, so Thaler. Sie fordert: „Weniger Schlagzeilen, mehr Maßnahmen. Und zwar solche, die Betriebe tatsächlich entlasten.“

Neben einer zügigen Erweiterung um die Beitrittskandidaten des Westbalkans muss sich die Union in Richtung neuer Märkte öffnen und die Abhängigkeit von einigen wenigen Handelspartnern überwinden – das gilt für den Import von kritischen Rohstoffen und Energie genauso wie für den Export von EU-Waren. Zwar ist die USA ein wichtiger Partner, aber eben nur einer von mehreren. Die Chancen für europäischen Export liegen auch in Südamerika, Asien und Afrika. Das geplante Mercosur-Abkommen etwa wird in der öffentlichen Debatte oft verzerrt dargestellt. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache.

"Wir brauchen in Zukunft mehrere Standbeine - das Mercosur-Abkommen erweitert unsere Möglichkeiten deutlich."


Wir brauchen in Zukunft mehrere Standbeine - das Mercosur-Abkommen erweitert unsere Möglichkeiten deutlich“, erklärt Thaler und ergänzt: „Das Abkommen sichert Zugang zu einem Zukunftsmarkt bei gleichzeitiger Einhaltung europäischer Standards.“

Aber nicht nur der Blick nach außen ist entscheidend, auch innerhalb der EU gibt es Handlungsbedarf. Der Binnenmarkt ist Europas größter Trumpf, wird aber durch zahlreiche nationale Sonderwege geschwächt. Der Abbau interner Handelsbarrieren gehört auf die Prioritätenliste ganz nach oben.

Fazit: Die EU muss selbstbewusster werden.

Mit mehr als 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist die EU eine Wirtschaftsmacht – aber sie nutzt ihre Möglichkeiten zu wenig. „Wir brauchen eine Europäische Union, die Wirtschaft nicht als Störfaktor, sondern als Fundament für Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt versteht“, bringt es WK-Präsidentin Barbara Thaler auf den Punkt.


Hinweis
Wofür steht das Mercosur-Abkommen?
 
Die vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay stehen für 72 % der Fläche Südamerikas, 273 Millio- nen Menschen und ein BIP von 2,2 Billionen Euro.
 
Der Abschluss des geplanten Handelsabkommens der EU mit den Mercosur-Staaten
• bringt neue Impulse für eine florierende Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze, die in Zeiten der Krisen für Österreich unverzichtbar sind
• erhöht die Resilienz der österreichischen Wirtschaft
• diversifiziert und sichert Lieferketten und strategische Rohstoffe
• schafft neue Exportchancen für Firmen aus Österreich und der EU
• begrenzt die Mengen für sensible landwirtschaftliche Erzeugnisse über Zollkontingente
• bringt Verpflichtungen zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens und zur Bekämpfung der Entwaldung
 
Kein Abschluss bedeutet:
• EU bleibt von einigen wenigen Handelspartnern abhängig
• Verlust der Marktposition an Konkurrenten
• Stillstand statt Aufbruch

Weiter Infos finden Sie hier!


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