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Barbara Thaler
© Patrick Saringer

Mehr Nutzen spürbar machen: Warum wir die Kammer neu denken

Präsidentin Barbara Thaler erklärt, wie die WK auf die aktuellen Debatten antwortet, was der laufende Reformprozess in der Tiroler Kammer bringen wird, warum zu viel Staat schadet und wie unser Standort die Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangen kann.  

Lesedauer: 4 Minuten

28.11.2025

In den letzten Wochen gab es heftige Diskussionen über Gehälter und Strukturen der Wirtschaftskammer. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Die Diskussionen der letzten Wochen haben klar gezeigt, dass wir handeln müssen – und das tun wir. Wir fokussieren uns auf unsere Kernaufgabe: für die Betriebe da zu sein, nicht für die Schlagzeilen.

Und wie ist Ihre Haltung in Bezug auf die Erhöhungen der Gehälter und Funktionsentschädigungen in der Wirtschaftskammer?
Was die Funktionsentschädigungen betrifft, sind wir in Tirol einen klaren Schritt gegangen: Die beschlossenen Erhöhungen werden zurückgenommen. Bei den Gehältern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treten wir für eine bundesweite Lösung von plus 2,1 % für 2026 ein. Und: Für die Managementebene braucht es eine Null-Lohnrunde, und zwar österreichweit.

Wie stehen Sie zu den Forderungen nach Reformen für die Wirtschaftskammerorganisation?
Wir erkennen klar die Notwendigkeit: Viele spüren den Nutzen ihrer Kammer zu wenig. Genau dort müssen wir ansetzen. Wir waren immer Dienstleister und Servicestelle – und das müssen wir besser sichtbar machen. Eine Kammer, die unterstützt, wenn’s schwierig wird, die begleitet beim Gründen, beim Investieren oder bei der Übergabe an die nächste Generation. Eine Kammer, die ihre Stimme für die Unternehmerinnen und Unternehmer erhebt und die weiterbildet. Das ist der Anspruch, an dem wir uns messen lassen. Unser Reformprozess in Tirol läuft seit Monaten, und wir ziehen das Tempo jetzt weiter an. Aber vieles können wir nicht allein lösen – dafür braucht es auf Bundesebene einen gemeinsamen Schulterschluss und echten Mut zur Veränderung. Wir Tiroler sind jedenfalls bereit dafür.

Sie sprechen den Reformprozess in Tirol an. Wie sieht dieser im Detail aus?
Im Zentrum steht die Kundenzentrierung: Unsere Services werden schneller, verständlicher und näher an den tatsächlichen Bedürfnissen der Betriebe ausgerichtet. Dafür haben wir schon vor Monaten alle Leistungen extern überprüfen lassen und setzen erste Verbesserungen bereits um. Der wichtigste Schritt ist aber strategisch: Wir orientieren unsere Angebote künftig am Lebenszyklus eines Unternehmens – von der Gründung bis zur Nachfolge. Unser Ziel ist eine moderne Servicekammer, die sich den Veränderungen in der Wirtschaft laufend anpasst. Und damit dort hilft, wo Betriebe uns wirklich brauchen.

Viele spüren den Nutzen der Kammer zu wenig. Genau dort müssen wir ansetzen. Wir waren immer Dienstleister und Servicestelle - und das müssen wir besser sichtbar machen.



Es ist also bereits einiges im Laufen – wird aber offenbar medial nicht bzw. zu wenig gesehen. Wie begegnen Sie der massiven Kritik der Öffentlichkeit?
Wir können nur unsere Anstrengungen transparent und offen kommunizieren. Wir möchten ein Gegengewicht dazu schaffen, dass derzeit ausschließlich Negatives gesehen wird. Wir konnten in den letzten Monaten beispielsweise einige Erfolge für die Unternehmen in der Interessenvertretung verbuchen – von der Rechtsklarheit beim Trinkgeld über die Verdoppelung des Investitionsfreibetrages bis hin zu deutlich höheren Kontingenten für Saisonarbeitskräfte. Und unser WIFI, das größte Ausbildungszentrum für die Wirtschaft in Westösterreich, erreichte 2024 mit 3.810 Veranstaltungen über 42.000 Kursbesucher:innen. Auch im Bereich Service brauchen wir uns nicht zu verstecken – wir hatten im Vorjahr 78.000 persönliche Kontakte zu unseren Mitgliedern. Es gibt Stimmen, die eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft fordern – damit wären aber auch die genannten Leistungen für die Betriebe nicht mehr möglich. Die gesetzliche Mitgliedschaft stellt nicht nur sicher, dass umfassende Serviceleistungen für alle Unternehmen verfügbar bleiben, sondern ermöglicht auch, dass insbesondere größere Betriebe vom bewährten System der Kollektivvertragsverhandlungen profitieren. Ich kann nur eines versichern: Wir haben die Botschaft verstanden und packen Reformen ernsthaft an. Wir sollten aber langsam wieder mehr über Wirtschaft als über die Wirtschaftskammer reden. 

Wir orientieren unsere Angebote künftig am Lebenszyklus eines Unternehmens - von der Gründung bis zur Nachfolge. Unser Ziel ist es eine moderne Servicekammer, die sich den Veränderungen in der Wirtschaft laufend anpasst.



Bleiben wir gleich bei diesem Stichwort: Wie geht es denn der Wirtschaft aktuell?
Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Tirol steht wirtschaftlich im Spagat. Der Tourismus boomt, der Dienstleistungssektor wächst kräftig, die Industrie und der Handel kämpfen. Das spiegelt sich auch in der Beschäftigungsstatistik deutlich wider, die wie ein Spiegelbild der Tiroler Realität ist. So gibt es in der Industrie im Vergleich zum Vorjahr -3,7 % Beschäftigung, im Tourismus 4,7 plus. Das bedeutet, dass die Wirtschaftspolitik maßgeschneiderte Maßnahmen für einzelne Branchen liefern muss. 

Heißt das, dass der Staat noch mehr eingreifen soll als derzeit?
Nein, genau das bedeutet es nicht. Mir sind 5 präzise Gesetze lieber als 99 einzelne Fördertöpfe. Außerdem müssen wir in Österreich grundsätzlich aufpassen, dass die Balance nicht kippt und der Staat das Übergewicht bekommt. In den letzten Jahren ist die Staatsquote laufend gestiegen, wir liegen derzeit bei 56 %. Das ist weit über marktwirtschaftlich vertretbare Grenzen und Erfahrungswerten erfolgreicher Wirtschaftsnationen. Daher fordern die Wählergruppen im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Tirol ein Zurückfahren der Staatsquote unter 
50 % bis zum Jahr 2030. Unsere größte Herausforderung ist die Wettbewerbsfähigkeit. 

Wie lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts wieder zurückge-
winnen?

Da gibt es mehrere Hebel. Zuallererst müssen wir Leistung wieder den gebührenden Platz einräumen. Es ist beispielsweise steuerlich wesentlich attraktiver, Teilzeit zu arbeiten. Kein Wunder, dass wir über dem EU-Schnitt liegen und den Betrieben Arbeitsstunden fehlen – und auch für die Betroffenen entstehen Probleme, Stichwort Pensionslücke. Auch die Bürokratie muss drastisch verschlankt werden – sie hängt vielen Betrieben wie ein Klotz am Bein, auch bei Betriebsübergaben. Wir brauchen Technologieoffenheit – von der Mobilität bis hin zur Erzeugung von Energie. Fortschritte entstehen in den F&E-Abteilungen der Unternehmen. Mit höheren Investitionsfreibeträgen lässt sich viel mehr erreichen als mit einengenden Vorgaben. Man kann das alles auch kürzer sagen: 
Österreich muss unternehmerischer werden. 

In wenigen Wochen ist Weihnachten. Da darf man sich auch mal was wünschen. Was liegt Ihnen für unseren Standort am Herzen?
Dass die öffentlichen Debatten wieder auf die Sachebene zurückkehren. Österreich war immer dann stark, wenn wir an uns geglaubt haben und die Herausforderungen gemeinsam angegangen sind – und nicht gegeneinander. Wenn wir wieder im Schulterschluss an Lösungen arbeiten, können wir 2026 zu einem erfolgreichen Jahr machen.

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