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Wie können regionale Handelslandschaften langfristig gestärkt werden? Darüber diskutierte Moderator Günther Schimatzek beim Tiroler Handelsforum 2025 im Congresspark Igls mit  Lisa Kittner,  Christoph Andexlinger,  Daniela Allmeier,  Wolfgang Feucht und  Thomas Ebner (v.l.).
© WK Tirol/ Die Fotografen

Schulterschluss statt Ellbogentaktik

Der Tiroler Handel steht vor großen Herausforderungen: Umsatz- und Preisrückgänge, Filialschließungen und leerstehende Innenstädte prägen die Lage. Das Handelsforum 2025 im Congresspark Igls machte deutlich, wie das Zusammenwirken aller Akteure den stationären Handel in den Tiroler Orten beleben kann.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 28.05.2025

Der Tiroler Handel steht vor einer schwierigen wirtschaftlichen Lage: 2024 verzeichnete er ein nominelles Umsatzminus von 2,3 %, real waren es minus 2,8 %. Ertragsprobleme und eine Konsumzurückhaltung zwingen viele Händler in die Knie. Ohne rasche Trendwende droht nicht nur der Verlust von Geschäften und Arbeitsplätzen, sondern die schleichende Verwaisung ganzer Ortskerne. „Für die Händler ist digitale Sichtbarkeit inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden – online und offline ergänzen sich. Jetzt gilt es, dass Handel, Gastronomie, Tourismus und Stadt gemeinsam an einem Strang ziehen und so Einkaufserlebnisse in unseren Orten weiterhin möglich machen“, betonte der neue Spartenobmann des Tiroler Handels, Roman Eberharter. 

Dieser Blick aufs „Wir“ löst Einzelstrategien ab und eröffnet Wege zu neuem Leben in Tirols Innenstädten. Der scheidende Spartenobmann, Dieter Unterberger, resümierte: „Orte sind längst kein Thema nur für den Handel, sondern für die gesamte Gesellschaft. Auch wenn die Situation derzeit nicht einfach ist, wir konnten in jüngster Zeit zwei Erfolge verbuchen: Erstens ist in vielen Orten eine Bündelung der Kräfte gelungen, zweitens wurde eine Koordinationsstelle für Stadt- und Ortsmarketings eingerichtet. In diese Richtung müssen wir weiterarbeiten.“ 

Der stationäre Handel ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich zu schützenswert, um ihn kampflos aufzugeben.

Günther Botschen vom Retail Lab der Uni Innsbruck ergänzte: „Von Händlern über Gastronomie bis hin zu Eigentümern und Städteplanern – lebendige Orte brauchen das Zusammenspiel aller.“ Diese Grundlinie zog sich durch das heurige Forum, das Antworten auf die Frage brachte, wie sich regionales Handelsmanagement effektiv steuern und gestalten lässt.


Handel verdient das Prädikat „wertvoll“

Hannes Lindner (Standort + Markt) skizzierte die Tiroler Handelsstruktur als zweigeteilt: Stark verdichtete Handelsflächen in der Inntalfurche einerseits, touristische Seitentäler andererseits. Diese Vielfalt bringe Chancen wie Herausforderungen – einheitliche Lösungen würden hier nicht greifen. Lindner forderte deshalb multifunktionale Nutzungskonzepte, die Handel, Freizeit, Wohnen und Dienstleistungen verschränken. „Der Kampf der städtischen Händler gegen große Handelsflächen an der Peripherie tritt in den Hintergrund, nun lautet das Match stationärer Handel versus internationales Online-Shopping“, erklärte Lindner. Der stationäre Handel ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich zu schützenswert, um ihn kampflos aufzugeben – er hat das Prädikat ‚wertvoll‘ verdient.“


Lindner plädierte für einen erweiterten Funktionsmix statt reiner Shop Monokultur: Cafés, Co Working Spaces, Gesundheitszentren, Servicepunkte und E-Mobility Ladestationen schaffen zusätzliche Besuchsgründe – und jeder davon erhöht die Frequenz und den Umsatz. Ergänzend blieben digitale Tools unerlässlich – aber gegen die Finanzkraft der Online-Riesen sei digital alleine zu wenig. Nur die Anpassung an die geänderten Bedürfnisse der Menschen und die Besinnung auf regionale Besonderheiten könne die örtlichen Geschäfte gegenüber dem internationalen Onlinehandel stärken. (Die Präsentation zum Vortrag von Hannes Lindner kann hier heruntergeladen werden.)


„Nearconomy“ als Erfolgsfaktor

Karl Mayr (Fussl Modestraße), dessen Modehaus mit 150 Jahren Tradition 2024 das umsatzstärkste Jahr verzeichnete, erklärte sein Erfolgsgeheimnis mit „Nearconomy“: 200 Filialen und 85 % Eigenproduktion erlaubten ihm, Trends direkt beim Kunden zu bedienen und günstige Preise ohne Zwischenhandel zu bieten. Fussl verzichtet bewusst auf Online Handel, da Margen seiner Meinung nach dort kaum existierten. Viel wichtiger sei das sinnliche Einkaufserlebnis vor Ort, die persönliche Beratung und das kuratierte Sortiment. „Kundenorientierung heißt nicht, sich an den Kunden zu orientieren, Kundenorientierung bedeutet für uns, den Kunden Orientierung zu bieten“, so Mayr. Doch auch Fussl kämpft mit steigenden Kosten und überbordender Bürokratie. Mayr fordert zudem ein Umdenken bei Immobilienanbietern: „Exorbitante Mieten sind passé. Nur mit fairen Konditionen kann ausufernder Leerstand verhindert werden und der stationäre Handel langfristig überleben.“

Das Tiroler Handelsforum war auch in seiner 13. Auflage ein voller Erfolg – sehr zur Freude der Gastgeber:innen (v.r..): Dieter Unterberger, Roman Eberharter und Patricia Sepetavc vom Spartenpräsidium des Tiroler Handels, Günther Botschen vom Retail Lab der Uni Innsbruck sowie Spartengeschäftsführer Simon Franzoi.
© WK Tirol/ Die Fotografen Das Tiroler Handelsforum war auch in seiner 13. Auflage ein voller Erfolg – sehr zur Freude der Gastgeber:innen (v.r..): Dieter Unterberger, Roman Eberharter und Patricia Sepetavc vom Spartenpräsidium des Tiroler Handels, Günther Botschen vom Retail Lab der Uni Innsbruck sowie Spartengeschäftsführer Simon Franzoi.


Der Handel braucht die Stadt

Im Anschluss an die Fachvorträge diskutierten fünf Expert:innen unter der Moderation von Günther Schimatzek, wie regionale Handelslandschaften langfristig gestärkt werden können. Daniela Allmeier von Raumposition in Wien betonte, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen Stadt und Handel gewandelt habe: „Früher brauchte die Stadt den Handel, heute braucht der Handel die Stadt.“ Sie plädierte dafür, Innenstädte nicht als reine Verkaufsorte zu verstehen, sondern als lebendige Quartiere, in denen Wohnen, Gastronomie, Kultur und Einzelhandel ineinandergreifen. Lisa Kittner von der Initiative starke Innenstadt Münster unterstrich, dass diese Vision eine gemeinsame Verantwortung aller Akteure erfordere. Nicht nur Städte und Gemeinden, auch Immobilienbesitzer und Private müssten sich als Teil der Stadtentwicklung begreifen.

Nur mit fairen Konditionen kann ausufender Leerstand verhindert werden und der stationäre Handel langfristig überleben.


Thomas Ebner vom Stadtmarketing Kufstein betonte, dass Städte als attraktive Lebensräume gestaltet werden müssen. Städte und Orte sollten mit konsumfreien Räumen und lebendigen Treffpunkten eine angenehme Atmosphäre schaffen, von der auch der Handel profitiert. Christoph Andexlinger von SES Spar European Shopping Centers aus Salzburg erklärte, dass bei Immobilienentwicklern und Vermietern langsam das Bewusstsein entstehe, dass nur ein attraktiver Mix in den Erdgeschosslagen imstande ist, eine Magnetwirkung auszuüben und Ortskerne zu beleben. Der Obmann der Tiroler Modehändler Wolfgang Feucht warnte davor, Innenstädte unter eine Käseglocke zu stellen. Das bedeute, auch auf Erreichbarkeit und Mobilität zu achten. Auch müsse es möglich sein, im Inneren denkmalgeschützter Häuser moderne Verkaufsräume zu errichten, wie das beispielsweise in Bozen seit Jahren gehandhabt werde.

Alle für einen – einer für alle

Alle Teilnehmenden waren sich einig: Mit Ellbogentaktik einzelner Player lässt sich nichts erreichen – nur im Schulterschluss von Handel, Gastronomie, Kultur, Immobilien, Stadtmarketing und Verwaltung entstehen lebendige Innenstädte. Regionaler Handel braucht Teamwork, Mut und kreative Nutzungsmixe sowie das „Nearconomy“-Prinzip – Einkaufserlebnisse mit Ortsbezug und persönlicher Nähe. So bleiben Tirols Zentren attraktiv, sichern Arbeitsplätze und verteidigen lokale Wettbewerbsvorteile.

Neben den Vorträgen bot das Event auch heuer genügend Möglichkeiten zum Netzwerken und zum Erfahrungsaustausch unter Kolleg:innen. Auch das ist Teil dieses Formats: Gegenseitiges Lernen schafft Wissensvorsprung und ermöglicht es, von erfolgreichen Beispielen neue Impulse abzuleiten.

Impressionen vom Tiroler Handelsform 2025 finden Sie hier.

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