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Kerstin Radnetter in ihrem Schneideratelier in Innsbruck
© Gerhard Berger

Wo maßgeschneiderte Lieblingsstücke entstehen

Kerstin Radnetter fertigt in ihrem Schneideratelier „Lieblingsstück“ in Innsbruck Damenbekleidung. Seit April ist sie Landesinnungsmeisterin der Mode -und Bekleidungstechnik in der Wirtschaftskammer Tirol. Welchen Stellenwert das Handwerk für sie hat, hat sie uns bei einem Besuch veranschaulicht.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 02.10.2025

"Schon als Kind wollte ich nichts anderes werden als Schneiderin“, sagt Kerstin Radnetter mit einem Lächeln auf den Lippen und schneidet mit sicherer Hand einen blauen, mit Pailetten besetzten Stoff zurecht und ergänzt: „Ich stamme aus einer Handwerksfamilie. Mein Urgroßvater und mein Großvater waren Sattler und Tapezierermeister, mein Vater Mechaniker und ich habe die Passion fürs Kleidermacherhandwerk.“

In der Egger-Lienz-Straße 130 in Innsbruck hat sie ihr Atelier eingerichtet. Jährlich entstehen dort rund 150 Damen-Kleidungsstücke, die in liebevoller Handarbeit und nach Maß gefertigt werden. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Blusen, Röcken und Hosen über Kleider und Jacken bis hin zu Mänteln sowie festlicher Mode – alles wird individuell für die Kundinnen geschneidert. „Ich bin sehr froh, dass ich dieses breite Spektrum anbieten kann. Trachten und Dirndln fertige ich nur gelegentlich. Dafür haben wir unsere Spezialisten. Die Brautmode hat sich zu einem Ganzjahresgeschäft entwickelt: Von Anpassungen bis hin zu komplett neuen Eigenkreationen ist in meinem Atelier ,Lieblingsstück‘ alles möglich“, skizziert die Unternehmerin. Der Name des Ateliers ist dabei Programm, denn die maßgeschneiderten Werke sind echte Lieblingsstücke für die Kundinnen.

Zum Ausgleich treibt die Unternehmerin gerne Sport, wie zum Beispiel Skifahren im Winter. Eine weitere Leidenschaft ist das klassische Ballett. Hier schafft es die gebürtige Wienerin, Hobby und Beruf zu vereinen, wie sie beschreibt: „Weil ich mich selbst viel mit Turnen und Tanz beschäftigt habe, entwickelte ich ein besonderes Gespür für die Bedeutung eines passenden Outfits. Das unterstreicht den Ausdruck und man kann seine Kür damit besser rüberbringen. Deshalb schneidere ich leidenschaftlich gerne für diese Sportarten Kostüme.“

Von Änderungsschneiderei zu Maßarbeit

Die Liebe zur Arbeit hat Radnetter nach Tirol geführt: Ende der 90er-Jahre war der Westen Österreichs noch geprägt von Textilindustrie. Bei Giesswein arbeitete sie einige Jahre als Designerin und Musterdirectrice, bevor sie im Juli 2009 den Schritt in die Selbstständigkeit gemacht hat. Anfangs konzentrierte sie sich auf Änderungsschneidereien. „Das war meine solide Basis für den Start. Da ich aber durch meine Ausbildung in der Modefachschule Hetzendorf als Damenkleidermacherin und Designerin spezialisiert bin, verlegte sich der Schwerpunkt schnell auf die Maßarbeit. Heute freue ich mich, auf viele treue Stammkundinnen zählen zu können.“

Im April des heurigen Jahres wurde sie als Innungsmeisterin der Landesinnung Mode und Bekleidungstechnik in der Wirtschaftskammer Tirol bestellt. „Im Ausschuss der Landesinnung bin ich bereits seit 13 Jahren aktiv. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, mein Wissen an die nächsten Generationen weiterzugeben. Aus diesem Grund unterrichte ich am WIFI die Meisterklasse und in der Fachausbildung LAP Bekleidungsgestaltung Damen. Mir ist es sehr wichtig, dass das Handwerk meiner Branche weitergeht. Dafür braucht es eben Menschen, die dieses Wissen und Können weitertragen“, unterstreicht Radnetter.

Kerstin Radnetter sitzt an ihrer Nähmaschine und näht an einem Stück Stoff
© Gerhard Berger

Für sie ist ihre Arbeit nicht nur ein Job, sondern eine wahre Berufung: „Handwerk ist etwas Leidenschaftliches. Meinen Beruf kann ich überallhin mitnehmen, er finanziert mein Leben, ist nachhaltig und ich kann ihn weitergeben. Dafür stehe ich als Innungsmeisterin: dass unsere Berufe sichtbar und lebendig bleiben und in unserem Fach Tradition und Innovation Hand in Hand gehen.“

Im Ausschuss kann sie sich auf ein engagiertes Team verlassen. Für die nächsten Jahre steht die Vernetzung der Mitglieder der Landesinnung im Vordergrund, wie Radnetter beschreibt: „Im Oktober fahren wir mit den Mitgliedern ins TIM nach Augsburg, um ihr Wissen im Bereich Textilkunde zu vertiefen und sich untereinander auszutauschen. Auch sollen geplante ,Stoffreisen‘ weitere Gelegenheiten zur Weiterbildung und zur Beziehungspflege unter den Mitgliedern schaffen und auch vor allem junge Kolleginnen und Kollegen stark einbeziehen. Es ist schwieriger geworden, Materialien und Zubehör zu bekommen. Deshalb ist es goldwert, die Kräfte zu bündeln, sich gegenseitig zu unterstützen, wie gemeinsam Bestellungen zu koordinieren. Diese Zusammenarbeit erleichtert nicht nur die Beschaffung, sondern stärkt auch den Zusammenhalt.“ Darüber hinaus sollen die Qualität und das Niveau in der Ausbildung und den Berufszweigen weiterhin hochgehalten werden.

Das persönliche Lieblingsstück

Ihre eigene Kleidung schneidert sich Radnetter selbst. Welches ist denn das persönliche Lieblingsstück der Schneidermeisterin? „Nach vielen Jahren habe ich mir endlich ein schlichtes schwarzes Hosenmodell auf den Leib geschneidert. In meiner Arbeit brauche ich einen Kompromiss: Natürlich muss sie optisch perfekt sein, aber ich bin auch am Boden zum Abstecken und ich sitze viel an der Nähmaschine, da muss die Hose funktional sein. Genau so eine Hose habe ich mir nun genäht“, lacht Radnetter und wendet sich bereits wieder dem nächsten Kleidungsstück für eine Stammkundin zu.

Hinweis
Im Einsatz für die Branche

Die Landesinnung Mode und Bekleidungstechnik

Mitglieder in Tirol: 629
Landesinnungsmeisterin: Kerstin Radnetter
Landesinnungsmeisterin-Stellvertreter: Dietmar Hinterreiter, Raphaela Scherkl
Ziele für die Funktionsperiode 2025-2030:
• Bessere Ausbildungsmöglichkeiten – Wir haben professionelle Räume geschaffen, um die Fachausbildung zu fördern und weiter auszubauen. Vor allem der Erhalt unserer reglementierten Gewerbe ist uns ein Anliegen, damit Ausbildungs- und Qualitätsstandards gesichert bleiben.
• Mehr Sichtbarkeit für die Branche – Durch gezielte Social-Media-Kampagnen steigern wir die öffentliche Wahrnehmung unserer Mitglieder.
• Neue Ausbildungsangebote – Innovative Kurse, Arbeitsgemeinschaften und die Unterstützung moderner Projekte sorgen für eine zukunftsfähige Branche.

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