Ausgabendynamik muss eingebremst werden
Die Europäische Kommission hat kürzlich formell die Einleitung eines EU-Defizitverfahrens gegenüber Österreich empfohlen. Damit ist es nun offiziell, dass staatliche Reformen sowie eine rasche Konsolidierung des Staatshaushaltes unausweichlich sind. Mit dem „Tag der staatlichen Umverteilung“ am 28. Juni macht die WKS das aktuelle Ungleichgewicht bei der Staatsfinanzierung transparent.
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„Die im Vorjahr erstellte Studie besitzt gerade in Bezug auf das EU-Defizitverfahren höchste Aktualität. Denn sie belegt, dass wir es nicht mit einem Einnahmen-, sondern vielmehr mit einem Ausgabenproblem zu tun haben. So hat es auch der österreichische Fiskalrat, der über die heimischen Staatsschulden wacht, wiederholt festgestellt. Die notwendige Budgetkonsolidierung ist somit nur dann erfolgreich, wenn die Ausgabendynamik eingebremst wird“, betont WKS-Präsident KommR Peter Buchmüller.
Wer finanziert eigentlich unseren Wohlfahrtsstaat und die übrigen Ausgaben des Staates? Um die Antwort auf diese Fragestellung für die Bevölkerung greifbar zu machen, hat die WK Salzburg im Vorjahr das Institut EcoAustria mit einer Studie beauftragt. Die zentrale Fragestellung dabei lautete: „Wie lange müssen die Leistungsträger in unserer Gesellschaft im jeweiligen Kalenderjahr arbeiten, bis sie das erworbene Einkommen für private Zwecke verwenden dürfen.“
Dieser „Schalttag“ zwischen staatlicher Umverteilung und privater Verwendung des erwirtschafteten Einkommens kann als „Tag der Staatlichen Umverteilung“ proklamiert werden, der heuer wiederum auf den 28. Juni fällt. Anders als beim „Tax Freedom Day“ wird bei der Analyse berücksichtigt, dass den gezahlten Steuern haushaltsbezogene direkte und indirekte öffentliche Leistungen gegenüberstehen.
Die Details der Studie - Der Tag der Umverteilung
Die Simulation der Umverteilung bzw. der staatlichen Leistungen durch Verknüpfung des öffentlichen Systems mit den privaten Haushalten ergibt, dass die gesamte Gruppe aller Nettozahler-Haushalte bis zum 28. Juni eines jedes Jahres ausschließlich für den Staat arbeiten muss.
- Um die jährlichen öffentlichen Ausgaben im Ausmaß von 271,3 Mrd. € (2024) zu finanzieren, müssen 49% des Bruttoeinkommens für die staatliche Umverteilung abgeliefert werden.
- Von den insgesamt 4,1 Mill. Haushalten sind 1,7 Mill. Haushalte Nettozahler (42,3%).
- Im Umkehrschluss sind knapp 60% der Haushalte Nettoempfänger von Sozialtransfers, Sachleistungen oder sonstigen Einkommen etwa aus der Sozialversicherung.
Die Studie zeigt, dass der österreichische Wohlfahrtsstaat nicht durch eine große Solidargemeinschaft, sondern mittlerweile von einer Minderheit getragen wird: 2,4 Millionen Haushalte sind die Gewinner der staatlichen Umverteilung, 1,7 Millionen Haushalte sind Nettozahler in diesem System der staatlichen Umverteilung.
Wo findet man die Leistungsträger und Nettozahler?
Vergleicht man die Gruppen der unselbstständig Beschäftigten mit jenen der Selbstständigen und der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften so fällt auf, dass in den zwei zuletzt genannten Gruppen überproportional viele Nettozahler und Leistungsträger vertreten sind.
- Während vereinfacht ausgedrückt die einkommensstärksten 30% der Haushalte von unselbständig Beschäftigten mehr zum System beitragen als sie aus dem System zurückbekommen, ist es in der Gruppe der Selbständigen bereits jeder zweite Haushalt oder 50%.
- Bei der Gruppe der Anteilseigner an Kapitalgesellschaften finden sich praktisch keine Nettoempfängerhaushalte.
Damit wird belegt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer im Verhältnis zur Gesamtpopulation einen deutlich höheren Anteil zur Aufrechterhaltung der staatlichen Aufgaben leisten.
Innerhalb der Gruppe der Nettozahler gibt es abhängig vom Einkommen unterschiedlich hohe Nettozahlungen an den Staat.
- So liegt die Belastung der Gruppe der Haushalte mit einem Jahreseinkommen zwischen 70.000 und 80.000 € bei 22% des Einkommens und steigt für die Gruppe der einkommensstärksten Haushalte auf über 60%.
- So beläuft sich der Nettofiskalbeitrag eines Haushaltes, in dem beide Partner ganzjährig vollzeitbeschäftigt sind, bei einem Haushaltsbruttojahreseinkommen zwischen 90.000 und 100.000 € auf etwa 27.700 €. Bei einem Bruttojahreseinkommen von 150.000 bis 200.000 € steigt der Beitrag des Medianhaushaltes auf knapp 85.000 €. Für Haushalte mit einem Einkommen zwischen 400.000 und 500.000 € sind jährlich in etwa 290.000 € netto – unter Anrechnung aller vom Staat bezogenen Sach- und Geldleistungen - an den Staat abzuführen.
Wie lange spielen die Nettozahler noch mit?
Diese Beträge zeigen, wie stark Leistungsträger für die Aufrechterhaltung der staatlichen Strukturen zur Kassa gebeten werden. Je kleiner die Gruppe der nettozahlenden Haushalte wird, umso höher wird die Belastung jedes Einzelnen.
- Wenn ein Paar mit ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung und einem gemeinsamen Bruttojahreseinkommen von 150.000 bis 200.000 € einen Betrag von 85.000 € mehr zum System beitragen muss als es zurückbekommt, stellt sich die Frage, ab wann der Kipppunkt für Leistungsträger erreicht ist und deren Leistungsbereitschaft abnimmt.
- Blickt man auf die Gruppe mit Jahreseinkommen zwischen 10.000 und 20.000 €, so wird im Median 21.883 € mehr aus dem System bezogen als überhaupt Einkommen insgesamt erwirtschaftet wird.
- Gerade in dieser Einkommensgruppe befinden sich zahlreiche Teilzeitbeschäftigte, die dezidiert keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen wollen, obwohl sie könnten. Diese Kritik richtet sich explizit nicht an Menschen, die aus familiären, gesundheitlichen oder anderen berücksichtigungswürdigen Gründen (z. B. Menschen mit Einschränkungen) nicht mehr leisten können, sondern an Personengruppen, die mehr arbeiten bzw. beitragen könnten, dies aufgrund des Sozialstaats aber nicht tun. Laut dem aktuellen Einkommensbericht des Rechnungshofes (2024) sind das beachtliche 347.200 Männer und Frauen in Österreich. Durch verminderte Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge werden sie Nutznießer einer Solidargemeinschaft, bei der immer weniger Leistungsträger mehr zum System beitragen müssen. Abgesehen davon reduziert Teilzeitbeschäftigung spätere Pensionsleistungen, die wiederum durch Steuergeld gestützt werden müssen. Anreize für mehr Voll- statt Teilzeit sind deshalb auch für die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates notwendig.
Die Conclusio: Der Tag der staatlichen Umverteilung am 28. Juni zeigt, wie lange die immer kleiner werdende Gruppe der Leistungsträger in Österreich arbeiten muss, um ihrer Abgaben- und Steuerpflicht nachzukommen. Erst ab dem 29. Juni können die Nettozahler-Haushalte ihr hart verdientes Geld privat verwenden.
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Foto: Logo der staatlichen Umverteilung. ©WKS