„Sekundärrohstoffe brauchen Rechte“
Abfallverwertungsspezialist Roland Pomberger über Einwegpfand als Erfolgsmodell, Bürokratie als Feind der Kreislaufwirtschaft und Österreich als Weltmeister.
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Wie steht es um die Abfallverwertung und Recyclingwirtschaft in Österreich?
Seit Anfang der l990er-Jahre hat sich unglaublich viel getan. Einerseits im Umgang mit Müll: Es wird viel mehr getrennt sammelt.
Ist der neue Einwegpfand eine Erfolgsgeschichte?
Er kann einfach zu einer gemacht werden, weil Pfand eine sehr praktische Angelegenheit ist. Ein Pfand verleiht einem Ding, das keinen Wert hat, einen künstlichen Wert. Damit ist es eigentlich nur eine Frage der Pfandhöhe, dass 100 Prozent gesammelt werden. Wenn 25 Cent nicht reichen, muss man das Pfand eben erhöhen – und irgendwann macht es dann jeder. Grundsätzlich ist es ja nichts Neues in Europa, kein Experiment. Andererseits haben wir aber viele gute Verwertungslösungen in der Industrie gefunden. Es gäbe viele Industrien gar nicht mehr, wenn man nicht auf sekundäre Rohstoffe oder Rohstoffe aus Abfall gesetzt hätte.
Welche zum Beispiel?
Die Papierindustrie gäbe es in Österreich nicht mehr, wenn man nicht Altpapier einsetzen würde, die Glasindustrie nicht mehr, wenn man nicht Altglas, die Zementindustrie nicht mehr, wenn man nicht Ersatzbrennstoffe und Ersatzrohstoffe einsetzen würde. Auch in der Metallindustrie gibt es einen wesentlichen Rohstoffbedarf, der durch Sekundärrohstoffe und Schrotte abgedeckt wird: Gute Abfälle werden immer mehr als Rohstoffe wahrgenommen.
Welche Voraussetzungen sind für eine Skalierung am Markt notwendig?
Da gibt es ein schönes Zitat: „Abfälle sind die Rohstoffe am falschen Ort.“ Man braucht also die entsprechende Forschung und Technologie und das Wissen, wie Unternehmen sie an richtiger Stelle anwenden. Da hat man in Österreich mit null angefangen. Heute sind wir Weltmeister: Es gibt kein Land auf der Welt, das mehr Energie aus sogenannten Ersatzbrennstoffen macht. Wir haben nur ein Problem: Sekundärrohstoffe sind im Vergleich zu Primärrohstoffen benachteiligt.
Inwiefern?
Es ist noch viel einfacher, einen Rohstoff international zu kaufen und einzusetzen, als aus Abfällen einen Sekundärrohstoff in der Industrie zu verwenden. Das ist viel schwieriger. Und das ist falsch.
Was wäre der richtige Weg?
Sekundärrohstoffe brauchen nicht nur Pflichten. Sekundärrohstoffe brauchen Rechte. Weil sie etwas Positives bewirken: Klimaschutz, Ressourceneffizienz, CO2-Einsparung – viele positive Aspekte. De facto werden Sekundärrohstoffe aber, wenn man sie einsetzen will, durch die ganze Regelwerke benachteiligt. Wir müssen dahin kommen, dass Sekundärrohstoffe in Zukunft privilegiert werden. Da haben wir noch extrem viel zu tun.
Was braucht es?
Einfachere Genehmigungsverfahren zum Beispiel. Wenn Sie aktuell Ihre Energie aus Abfällen gewinnen wollen, müssen Sie möglicherweise ein UVP-Verfahren machen. Wenn Sie dagegen einen Gasbrenner hinstellen, braucht es außer einer Gewerbeberechtigung gar nichts. Derartige bürokratische Hindernisse behindern die Kreislaufwirtschaft. Kreislaufwirtschaft ohne Abfallwirtschaft geht aber nicht. Gerade im industriellen Bereich ist es diesbezüglich aber manchmal wirklich schwierig. Es gibt etwa eine Reihe von Sekundärrohstoffen, die in anderen Ländern als Produkt gehandelt werden, die bei uns aber als Abfall gelten und damit abfallrechtlichen Reglementierungen unterliegen. Damit hat man in der Folge Riesenprobleme, wenn man sie importieren oder exportieren will.
Ist es irgendwo in Europa besser?
In Österreich sind wir manchmal schon übergenau. Wir überinterpretieren Dinge oft.
Roland Pomberger ist Leiter des Lehrstuhls für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversität Leoben. Kürzlich wurde er als „Österreicher des Jahres“ in der Kategorie Forschung ausgezeichnet.