
Recht praktisch: Urlaubsanspruch und Urlaubsverfall
Wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber ihre/seine Hinweispflicht verletzt, tritt keine Verjährung des Urlaubsanspruches ein
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Laut der jüngsten EuGH-Rechtsprechung, die bereits vom Obersten Gerichtshof in einer Entscheidung vom 27. Juni 2023 bestätigt wurde, trifft die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber – resultierend aus der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmer:innen – die Verpflichtung, die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer jedenfalls zum Urlaubsverbrauch aufzufordern und ihn zusätzlich über einen drohenden Urlaubsverfall nachweislich zu informieren. Eine Verjährung ist demnach erst nach Erfüllung dieser „Urlaubsfürsorgepflicht“ möglich.
Wie wird ein Urlaub vereinbart?
Der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes und die Urlaubsdauer sind zwischen Arbeitgeber:in und
Arbeitnehmer:in unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen und der Erholungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers konkret zu vereinbaren. Es besteht daher grundsätzlich weder ein einseitiges Anordnungsrecht der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers noch ein einseitiges Antrittsrecht der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers. Auch ein
Betriebsurlaub kann nicht einseitig von der Arbeitgeberin/vom Arbeitgeber bestimmt werden. In Zeiträumen, in denen der Betrieb geschlossen ist, wird von der Arbeitnehmerin/vom Arbeitnehmer Urlaub nicht automatisch konsumiert, sondern muss ebenfalls konkret vereinbart werden. Es wird empfohlen, einen Betriebsurlaub bereits im Vorhinein schriftlich im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, wobei nicht der gesamte Jahresurlaub vom Betriebsurlaub erfasst
sein darf.
Ist eine spezielle Form der Urlaubsvereinbarung notwendig?
Die Urlaubsvereinbarung ist an keine besonderen Formvorschriften gebunden und kann daher
schriftlich, mündlich, aber auch schlüssig zustande kommen. Arbeitgeber:innen haben in Streitfälen die Beweispflicht, dass der Urlaub tatsächlich konsumiert wurde. Aus Beweisgründen sollte jede Urlaubsvereinbarung unbedingt schriftlich abgeschlossen werden. Das Schweigen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers auf einen von der Arbeitnehmerin/ vom Arbeitnehmer geäußerten Urlaubswunsch kann unter Umständen als Zustimmung zum Urlaubsantritt gewertet werden.
Was gilt beim Urlaubsverbrauch?
Grundsätzlich sollte der Jahresurlaub möglichst bis zum Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verbraucht werden. Unverbrauchte Urlaubstage werden in das nächste Urlaubsjahr übertragen. Der Urlaub kann grundsätzlich in zwei Teilen verbraucht werden, wobei ein Teil mindestens eine Urlaubswoche betragen muss. Auf Wunsch der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers kann aber auch der Verbrauch einzelner Urlaubstage vereinbart werden.
Können Arbeitnehmer:innen den Urlaub einseitig antreten?
In folgenden Fällen kann die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer den Urlaub einseitig antreten: Bei notwendiger Pflege eines erkrankten, im gemeinsamen Haushalt lebenden maximal 12-jährigen Kindes, soweit der Anspruch auf Pflegefreistellung (maximal 2 Wochen pro Arbeitsjahr) bereits verbraucht ist. Ebenso ist ein einseitiger Urlaubsantritt in Betrieben mit gewähltem Betriebsrat möglich, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer ihren/seinen Urlaubswunsch von mindestens 12 Werktagen, mindestens 3 Monate vorher bekannt gegeben hat und auch nach Einbindung des Betriebsrates keine Einigung erzielt werden konnte.
Die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber kann im zweiten Fall einen einseitigen Urlaubsantritt nur über den Gerichtsweg verhindern, wenn sie/er im Zeitraum von höchstens 8 und mindestens 6 Wochen vor dem gewünschten Urlaubsbeginn Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht erhebt.
Wie ist vorzugehen, wenn sich die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer weigert, den Urlaub zu konsumieren?
Die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber hat kein Recht, die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer einseitig
zum Urlaubskonsum zu zwingen. Die Vereinbarung eines Betriebsurlaubes im Dienstvertrag wird nicht immer möglich sein. Der Gesetzgeber hat jedoch das Ansparen von Urlaub dahingehend beschränkt, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf von 2 Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, verjährt. Diese Frist verlängert sich bei Inanspruchnahme einer Karenz nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Väter-Karenzgesetz um den Zeitraum der Karenz.
Beispiel:
Beginn Urlaubsjahr: 1.2.2014
Eintritt Verjährung für Jahresurlaub 2014: 1.2.2017
Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann daher den Urlaubsanspruch, welcher mit 1.2.2014
entsteht, bis zum 31.1.2017 verbrauchen. Zu beachten ist allerdings, dass jeder Urlaubskonsum
(z. B. im Urlaubsjahr 2012) auf das älteste noch unverbrauchte Urlaubsguthaben anzurechnen
ist.
Wie bereits erwähnt, vertritt der EuGH zum Urlaubsverbrauch eine strenge Linie: Die Verjährungsfrist von offenen Urlaubsansprüchen beginnt erst dann zu laufen, wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer über ihren/seinen Urlaubsanspruch informiert und über den bevorstehenden Verfall hingewiesen hat. Gesetzliche Regelungen einer Verjährungsfrist wie im österreichischen Urlaubsgesetz werden vom EuGH nicht beanstandet. Diese Rechtsansicht wurde nun auch vom OGH in einer Entscheidung bestätigt (27.6.2023, 8 ObA 23/23z).
Expertentipp von Mag. Bernhard Achatz
Wir empfehlen, die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer jährlich schriftlich über ihren/
seinen offenen Urlaubsanspruch zu informieren und zum Urlaubskonsum aufzufordern (siehe Muster).