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Präsidentin WK Tirol Barbara Thaler
© Patrick Saringer

„Weniger Bürokratie wirkt wie ein Konjunkturprogramm“

WK-Präsidentin Barbara Thaler erklärt, warum die Wirtschaft jetzt die besten Karten zur Mitgestaltung hat und erläutert die Schwerpunkte für die kommende Funktionsperiode.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 03.06.2025

In den vergangenen 5 Jahren haben sich enorm viele Veränderungen ergeben. Wie sehen Sie jetzt, zu Beginn der neuen Periode in der Wirtschaftskammer, die Ausgangslage für die Interessenvertretung der Wirtschaft?

Wir haben eine neue Bundesregierung – und wollen das Momentum nutzen, zentrale Weichen neu zu stellen. Wir haben auf EU-Ebene eine neue Situation: Endlich wurde verstanden, dass der Green Deal nicht auf Kosten der Wirtschaft gehen darf. Und auch international ist viel in Bewegung. Trump bringt Probleme, aber auch neue Perspektiven: für eine Emanzipierung der EU, für Regionalität, für heimische Produkte.

Machen es die Budgetprobleme der öffentlichen Hand nicht schwerer, die Interessen der Wirtschaft durchzusetzen?

Ja, das ist durchaus der Fall. Und ich verstehe, wenn bei unseren Forderungen nach weniger Steuern die Antwort kommt: „Wir haben momentan kein Geld.“ Und es ist auch klar, dass Förderungen zurückgehen werden. Aber ich sehe eine grundsätzliche Chance: Die Budgetlage ist nämlich zum Beispiel kein Problem für die Entbürokratisierung. Darüber hinaus hat die Rezession vielen Politikern erst klargemacht, dass nur eine funktionierende Wirtschaft Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen kann. Und damit eine Wirtschaft funktioniert, braucht sie entsprechende Rahmenbedingungen. Wir haben in vielen Punkten sehr konkrete Vorstellungen, die wir auf den Tisch legen, um darüber sachlich zu diskutieren. Ich bin überzeugt, dass die Bereitschaft der Politik, unseren Vorschlägen zuzuhören, gestiegen ist. Schließlich sind wir Unternehmer es gewohnt, mit engen Budgets umzugehen und täglich scharf zu kalkulieren.

In den letzten Wochen sind medial die Wellen wegen der Neubesetzung von
Bezirksstellen hochgegangen. Verstehen Sie die Aufregung?

Ich verstehe die Emotionen dahinter, die medialen Wellen weniger. Alle 5 Jahre ist die Wirtschaftskammerwahl eine Frischzellenkur – mit dem Effekt, dass auch in unseren Fachorganisationen viele neu-gewählte Gesichter dabei sind. In Summe sind es 306 neue Funktionärinnen und Funktionäre, die unsere erfahrenen Obleute und Ausschussmitglieder verstärken. Die Bezirksstellen werden von den wahlwerbenden Listen besetzt, auch das ist ein üblicher Vorgang, alle 5 Jahre.

Damit eine Wirtschaft funktioniert, braucht sie entsprechende Rahmenbedingungen. Wir haben in vielen Punkten sehr konkrete Vorstellungen, die wur auf den Tisch legen, um darüber sachlich zu diskutieren.


Auch die Mitgliederbefragung ist in die Schlagzeilen geraten. Worum geht es hier eigentlich?

Die Befragung ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden. Schließlich handelt es sich um einen Prozess, den wir selbst gestartet haben. Mit einem ganz klaren Ziel: den Nutzen für unsere Mitglieder zu optimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir dort hinschauen, wo „es weh tut“ und Verbesserungen braucht. Wir haben bewusst einen neuen, kritischen Bewertungsmaßstab angelegt, damit wir an jenen Stellen nachjustieren, wo das im Sinne des Kundennutzens notwendig ist. In manchen Medien wurde es so dargestellt, als ob in der Wirtschaftskammer praktisch alles schieflaufen würde. Das ist bei Weitem nicht der Fall. Aber wie jedes gute Unternehmen haben wir einen Anspruch: Wir möchten tagtäglich besser werden. Wir hätten auch mit dem bewährten Bewertungsmaßstab weitermachen können, aber ich wollte einen tieferen Blick.

Haben Sie sich für die kommende Periode bestimmte Schwerpunkte gesetzt?

Abgesehen von der bereits erwähnten Optimierung des Kundennutzens stehen für mich die Themen Kostendämpfung, Europa, Export, Bürokratie und Raum für Unternehmertum im Fokus.

In welchen Bereichen sehen Sie Handlungsbedarf bei den Kosten?

Bereits in den letzten Jahren wurde deutlich, dass die Kosten das größte Problem der heimischen Betriebe sind. Und zwar auf allen Ebenen: bei den Arbeits-, den Finanzierungs-, und den Energiekosten. Bei den Arbeitskosten hat es in den letzten 3 Jahren ein Plus von über 20 % gegeben. Das führt dazu, dass speziell unsere exportorientierten Betriebe nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Um diesen Nachtteil zumindest teilweise wieder zu kompensieren, braucht es jetzt unbedingt zurückhaltende Lohnrunden. Bei den Finanzierungskosten hat die KIM-Verordnung zu einer Kreditklemme geführt. Die KIM-Verordnung ist mit Jahresmitte zwar Geschichte, aber es drohen Nachfolgeregelungen, die ähnlich restriktiv sind. Dem Ganzen einfach ein neues Mascherl zu geben, nutzt niemanden etwas. Und beim Thema Energie muss der Staat seine Möglichkeiten nutzen, etwa indem die Energieabgabe wie in anderen Ländern auf das EU–Mindestniveau gesenkt wird.

Was meinen Sie mit dem Stichwort Europa?

Aktuell stehen wichtige Themen für die Wirtschaft an: Lieferkettengesetz samt Omnibus-Paketen, Entwaldungsverordnung, EU-Initiativen bezüglich Mitabeiter:innen aus Drittstaaten, um nur einige Beispiele zu nennen. In Europa zählt vor allem eines: Man muss früh genug dran sein und seine Position an den richtigen Stellen einbringen. Genau das werden wir auch in der kommenden Periode machen.  

Welche Veränderungen fordern Sie im Bereich Bürokratie?

Dass die Absichtserklärungen nun für die Betriebe konkret spürbar werden. Alle Ebenen –die EU mit den Omnibus-Paketen, der Bund mit einem eigenen Staatssekretariat für die Deregulierung und auch das Land mit dem Tirol Konvent – haben das Problem erkannt. Beim Tirol Konvent sind die Einführung der Vollständigkeitsprüfung in Gewerbeverfahren und die Digitalisierung von Gewerberechtsbescheiden ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das sind für die Tiroler Betriebe gute Nachrichten, denn weniger Bürokratie wirkt für den Standort wie ein Konjunkturprogramm.

Sie haben als fünften und letzten Schwerpunkt Raum für Unternehmertum genannt. Was wollen Sie bei diesem Thema erreichen?

Da geht es zum einen um die Fortführung von Unternehmen. In den kommenden 5 Jahren stehen in Tirol 5.000 Betriebsübergaben an. Fast jedes vierte Arbeitgeberunternehmen ist betroffen. Seitens der Wirtschaftskammer forcieren wir massiv unsere Angebote wie das Gründerservice, unsere Experts Group und unsere Nachfolgebörse. Es braucht aber auch Rückenwind von der Politik und entsprechende Rahmenbedingungen wie zum Beispiel eine Anhebung der Freibeträge im Einkommensteuergesetz und im Grunderwerbssteuergesetz. Andererseits brauchen unsere Betriebe Möglichkeiten zum Wachsen. Für die Landwirtschaft gibt es aus gutem Grund Vorsorgeflächen. Ein vergleichbares Instrument fehlt für die Wirtschaft. Gewerbliche Vorsorgeflächen wären eine professionelle Lösung und würden viel Emotion herausnehmen. Unternehmerische Ideen brauchen Platz – das muss sich auch in der Raumordnung widerspiegeln.

Wie legen Sie die Umsetzung dieser Vorhaben durch die Wirtschaftskammer Tirol in der kommenden Periode an?

Ich setze auf unsere starken Teams in den Fachgruppen und Sparten, im Präsidium und den Bezirken sowie auf die Kompetenz unserer Mitarbeiter:innen im Haus. Und ich möchte das traditionelle gute Miteinander der verschiedenen wahlwerbenden Gruppen pflegen. Es mag sein, dass es in manchen Detailfragen unterschiedliche Blickwinkel gibt – aber alle Unternehmensvertreter:innen in der Wirtschaftskammer haben immer vor Augen, was unser gemeinsamer Auftrag ist: unseren Betrieben den größtmöglichen Nutzen zu bieten.

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