Person liegt im Bett, greift sich auf den Kopf und blickt dabei auf einen Fiebermesser
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Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht

Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof

Lesedauer: 5 Minuten

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.5.2013 (9 ObA 11/13 b) ausgesprochen, dass eine Erkrankung den Verbrauch von vereinbartem Zeitausgleich nicht unterbricht.

Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, der Zeitausgleich konsumiert und währenddessen erkrankt, trotzdem sein Zeitguthaben verbraucht.  

Sachverhalt  

Der Arbeitnehmer vereinbarte mit seinem Arbeitgeber einen Urlaubstag und daran anschließend zehn Tage Zeitausgleich. Zu Beginn dieser Freistellung erkrankte der Arbeitnehmer für insgesamt vier Tage. Der Arbeitnehmer behauptete während seiner Erkrankung kein Überstundenguthaben verbraucht zu haben und klagte das aus seiner Sicht ausständige Überstundenentgelt ein. Der Arbeitgeber vertrat hingegen die Meinung, das Zeitguthaben sei trotz der Erkrankung des Arbeitnehmers verbraucht worden.    

Bisherige Judikatur zum Zeitausgleich  

In der Entscheidung OGH 20.12.2006, 9 ObA 182/05 p, hat sich der Oberste Gerichtshof mit dem Problem der Erkrankung während der „Freizeitphase“ bei geblockter Altersteilzeit beschäftigt.   

Er führte aus, dass Erkrankungen während der Freizeitphase ohne rechtliche Relevanz seien. Arbeitnehmer können in diesem Zeitraum zwar faktisch krank sein, jedoch nicht arbeitsunfähig im rechtlichen Sinn, weil in dieser Zeit keine Arbeitspflicht mehr bestehe.   

Arbeitsunfähigkeit bedeutet die krankheitsbedingte Hinderung des Arbeitnehmers an der Verrichtung seiner Arbeitsleistung. Dieser Fall könne aber in der Freizeitphase mangels Arbeitspflicht nicht mehr eintreten. Erkrankungen während des Zeitausgleichs hätten keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und begründeten demnach auch keine Ansprüche auf Krankengeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung.  

Die Unterinstanzen, nämlich die Oberlandesgerichte Linz und Wien vertraten die gegenteilige Ansicht, nämlich dass der Zeitausgleich eines Arbeit­nehmers aufgrund einer Erkrankung des Arbeitnehmers nicht als konsumiert gelte.   

Begründet wurde diese Ansicht damit, dass für die Zeiträume, in denen schon ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung bestehe, wie etwa bei Krankheit oder Urlaub, keine zusätzliche Entgeltfortzahlung in Form von Zeitausgleich wirksam vereinbart werden könne. Eine Erkrankung während des Konsums von Zeit­ausgleich durchbreche diesen daher und das Überstundenguthaben bliebe bestehen.


Beispiel alte Rechtslage (OLG Linz und OLG Wien): 
Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren einen Zeitausgleichverbrauch in der Zeit von 15.7.-19.7. Der Arbeitnehmer erkrankt davon an 2 Tagen. Die zwei Tage, an denen er im Krankenstand war, werden von seinem Zeitausgleichsguthaben nicht abgezogen. Der Arbeitnehmer hat in der vereinbarten Zeit also statt 5 Zeitausgleichstagen nur 3 Tage von seinem Zeitausgleichsguthaben verbraucht. 


Der Oberste Gerichtshof stellt nun klar: Krankheit durchbricht Zeitausgleich nicht  

In seiner neuesten Entscheidung ändert der Oberste Gerichtshof die Entscheidungen der Unterinstanzen im Sinne der Wirtschaft ab und stellt klar, dass ein Krankenstand den vereinbarten Zeitausgleich nicht unterbricht.  

Der Oberste Gerichtshof begründet seine Entscheidung mit dem Entgeltcharakter von Zeitausgleich. Grundsätzlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich festlegen, wie Überstunden abzugelten ist, nämlich in Form von Geld, Zeitausgleich oder in Form einer Mischvariante.   

Besteht keine solche Einzelvereinbarung, kann der Kollektivvertrag die Art der Abgeltung der Überstunden bestimmen. Sagt auch der Kollektivvertrag dazu nichts aus, kann eine diesbezügliche Betriebsvereinbarung die Art der Abgeltung der Überstunde bestimmen. Regelt weder Einzelvertrag noch Kollektivvertrag noch Betriebsvereinbarung die Form der Abgeltung, sind Überstunden in Geld abzugelten.   

Nach dem Arbeitszeitgesetz ist eine Abgeltung in Geld und eine Abgeltung in Freizeit gleichrangig. Aufgrund des Abgeltungscharakters von Zeitausgleich tritt anders als beim Urlaub der Erholungscharakter stark in den Hintergrund. Neben der Abgeltungsfunktion kommt es durch den Zeitausgleich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Dabei soll die durchschnittliche Arbeitszeit weitgehend an die vereinbarte Normalarbeitszeit angepasst werden.  

Beim Zeitausgleich erhält der Arbeitnehmer für in der Vergangenheit erbrachte Mehrleistung Freizeit. Es handelt sich dabei nicht um entgeltneutrale Freizeit, sondern um eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht.  

Die Entgeltfort­zahlungsansprüche des Angestelltengesetzes und des Entgeltfortzahlungs-gesetzes setzen aber voraus, dass der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist. Eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall kann also nur in Zeiten bestehen, in denen eine Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers besteht.   

Erkrankt der Arbeitnehmer in der Zeit, in welcher er aufgrund des Zeitausgleiches nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, so besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Es greift bereits die Rechtsgrundlage der Zeitausgleichsvereinbarung, die den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit. Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichzeitraum bewirkt den Entfall der Arbeitsleistung. Der Entfall der Arbeits­leistung resultiert daraus, dass den Arbeitnehmer infolge von Arbeitsvorleistung, in der Zeit der Konsumation von Zeitausgleich keine Arbeitsverpflichtung mehr trifft und weiterhin sein Entgelt erhält. Die Krankheit hebelt den Zeitausgleich nicht aus.


Vorsicht! 
Dies gilt nur für den Fall, dass die Dienstverhinderung wegen Krankheit erst nach dem Abschluss der Zeitausgleichsvereinbarung eintritt und nicht vorhersehbar war. Steht dem Arbeitnehmer beispielsweise eine Operation bevor, die Entgeltfortzahlung wegen Erkrankung auslösen würde, kann für diesen Zeitraum kein Zeitausgleich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre sittenwidrig und nichtig. Im Zeitpunkt des Abschlusses darf für die Dauer des Zeitausgleiches kein Dienstverhinderungsgrund bekannt bzw. vorhersehbar sein!


Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Arbeitnehmer an seinem arbeitsfreien Samstag erkrankt. Der Arbeitnehmer würde dafür keinen anderen Wochentag deshalb frei bekommen. Ebenso ist nach der Judikatur ein Ersatzruheanspruch auch dann konsumiert, wenn der Arbeitnehmer während der Ersatzruhe erkrankt. Es muss keine neuerliche Ersatzruhezeit gewährt werden.  

In Anlehnung an seine frühere Entscheidung (OGH 13.9.2012, 8 ObA 28/12v) führt der Oberste Gerichtshof aus, dass der Eintritt eines weiteren Grundes (Krankheit) für bezahlte Dienstfreistellung während des Zeitausgleiches keine Rolle mehr spielt.


Beispiel neue Rechtslage (OGH): 
Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren einen Zeitausgleich in der Zeit von 15.7.-19.7. Der Arbeitnehmer erkrankt davon an 2 Tagen. Das Überstundenguthaben wird trotz der eingetretenen Krankheit im vollen vereinbarten Ausmaß verbraucht.


Sonderfall Urlaub und Krankheit  

Das Urlaubsgesetz regelt ausdrücklich den Fall einer Erkrankung des Arbeitnehmers. Erkrankt (verunglückt) ein Arbeitnehmer während des Urlaubes, ohne dies vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet zu haben, so werden die auf die Werktage fallenden Tage des Krankenstandes, an denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig war, auf das Urlaubs­ausmaß nicht angerechnet. Dies gilt nur, wenn die Erkrankung mehr als 3 Kalendertage gedauert hat.   

Eine analoge Anwendung dieser Sonderbestimmung des Urlaubsgesetzes auf den Zeitausgleich ist ausgeschlossen. Beim Urlaub steht der Erholungszweck im Vordergrund, während der Zeitausgleich eine Abgeltungsfunktion hat. Der Gesetzgeber hat die Regelung des Urlaubsgesetzes bewusst auf den Urlaub beschränkt und es liegen auch keine gleichgelagerten Fälle vor.  

Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung

Mit der für die Praxis bedeutsamen Frage, ob die Erkrankung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund darstellt, der ihn zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen würde, hat sich der Oberste Gerichtshof auch in dieser Entscheidung nicht beschäftigt, da der Arbeitnehmer hier keinen Rücktritt erklärt hatte.

Stand: 01.12.2013

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